Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) setzt eine bedeutende organisatorische Veränderung um: Die Audio- und Digitalredaktionen des Studios Bern werden mit dem Zürcher Newsroom zusammengeführt. Diese Restrukturierung, die ab 2026 wirksam wird, zielt darauf ab, Prozesse zu optimieren und sich an die sich wandelnden digitalen Medienkonsumgewohnheiten anzupassen. Der Schritt wird die bestehenden Redaktionsteams für Sendungen wie das "Echo der Zeit" auflösen – eine Entscheidung, die bei einigen Mitarbeitenden Bedenken hinsichtlich journalistischer Qualität und operativer Effizienz hervorruft.
Wichtigste Erkenntnisse
- SRF konsolidiert seine Audio-/Digital-Nachrichtenredaktionen in Bern und Zürich.
- Das Modell "Newsroom 3.0" wird Arbeitsabläufe standortübergreifend standardisieren.
- Sendungen wie das "Echo der Zeit" verlieren unabhängige Redaktionsteams.
- Die SRF-Geschäftsleitung betont die Notwendigkeit der digitalen Anpassung.
- Mitarbeiterbedenken konzentrieren sich auf mögliche Auswirkungen auf die journalistische Qualität und erhöhte administrative Aufgaben.
SRF vereinheitlicht Audio- und Digital-Redaktionsstrukturen
Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) nimmt eine umfassende Reorganisation seiner Audio- und Digitalredaktionen vor. Ziel ist es, das Organigramm zu vereinheitlichen und einen stärker integrierten Workflow zu schaffen. Diese Initiative, bekannt als Newsroom 3.0, soll das Studio Bern an das bestehende Newsroom-Modell in Zürich angleichen.
Die Vorbereitungen für dieses neue Betriebskonzept laufen derzeit auf Hochtouren. Die Änderungen sollen schrittweise ab 2026 eingeführt werden. Dieser Schritt folgt auf eine Periode, in der Bern und Zürich, obwohl Teil derselben Abteilung Audio/Digital, unter verschiedenen Modellen operierten.
Hintergrund zu SRF Bern und Zürich
Vor sieben Jahren verhinderten interner und externer Druck die vollständige Verlagerung der Radionachrichten nach Zürich. Ein Kompromiss erlaubte es, Hintergrundsendungen wie "Rendez-vous", "Echo der Zeit" und "Tagesgespräch" in Bern zu belassen. Auch die Inland-, Ausland- und einige Wirtschaftsressorts blieben in Bern. Der Hauptnachrichtendienst, zusammen mit dem Nonstop-Nachrichtenkanal SRF 4 und "Heute Morgen", zog jedoch nach Zürich. Diese Zürcher Einheiten blieben organisatorisch Teil des Studios Bern.
Seitdem hat die räumlich getrennte Abteilung Audio/Digital zwei unterschiedliche Betriebsmodelle beibehalten. Zürich führte einen auf digitale Mediennutzung ausgelegten Newsroom ein, während die Berner Redaktion weiterhin auf ihre spezifischen Radioprogramme ausgerichtet blieb.
Treibende Kraft: Digitaler Medienkonsum
Ursula Gabathuler und Beat Soltermann, Co-Chefredakteure Audio/Digital SRF, leiten diese Restrukturierungsbemühungen. Sie heben die sich ändernden Medienkonsumgewohnheiten als Hauptgrund für die Reform hervor.
"Die Leute erwarten von uns, dass wir zeitnah informieren. Gleichzeitig wollen sie unsere Informationsangebote jederzeit abrufen können", erläutert Ursula Gabathuler die Grundlage der Newsroom-Reform.
Um diesen öffentlichen Anforderungen gerecht zu werden, werden die Berner Redaktionen und Ressorts ihren Fokus verlagern. Sie werden mehr Inhalte für die SRF News App produzieren und ihre strikte Ausrichtung auf Radioprogramm-Zeitpläne und Sendezeiten reduzieren.
Auswirkungen auf sendungsspezifische Redaktionsteams
Eine direkte Folge dieser Verschiebung ist die Auflösung bestehender Redaktionsteams für beliebte Sendungen. Dazu gehören "Echo der Zeit", "Rendez-vous" und "Tagesgespräch". Während Moderatoren und Produzenten weiterhin ausschliesslich oder hauptsächlich für diese Sendungen arbeiten werden, werden sie nicht mehr Teil eigenständiger Teams mit eigener dedizierter Führung sein.
Führungsfunktionen werden nun getrennt. Eine Person wird für die journalistische Inhaltsführung verantwortlich sein, während eine andere das Team leitet. SRF implementiert diese Trennung der Führungsverantwortlichkeiten auf allen Ebenen und in allen Bereichen innerhalb der Audio/Digital-Redaktion.
Dies bedeutet, dass einzelne Mitarbeitende in Zukunft zwei verschiedenen Vorgesetzten unterstellt sein werden. Alle neuen Führungsrollen und andere Positionen wurden intern ausgeschrieben. Bestehende Mitarbeitende hatten die Möglichkeit, sich für diese neuen Rollen zu bewerben.
Wichtige operative Änderungen
- Journalisten konzentrieren sich auf Themen statt auf spezifische Sendungen.
- Inhalte werden für die News App, die Play-Plattform, soziale Medien und Radio anpassbar sein.
- Ziel ist es, ein aktuelleres und vielfältigeres Online-Erlebnis zu bieten.
- Radiokonsumenten sollen keine Veränderung der Programmqualität erfahren.
Verschiebung hin zur themenbasierten Inhaltsproduktion
Beat Soltermann betont die erhöhte Flexibilität, die das neue System mit sich bringen wird. "Früher war es ein eher starres System. Jetzt werden wir viel flexibler sein", sagt er.
Diese Flexibilität bedeutet, dass Journalisten Beiträge nicht mehr für eine bestimmte Sendung planen werden. Stattdessen konzentrieren sie sich auf übergeordnete Themen. Diese Themen können dann angepasst und über verschiedene Formate und Kanäle verteilt werden. Dazu gehören die News App, die Play-Plattform, soziale Medien und traditionelle Radiosendungen.
SRF beabsichtigt, dass das Radiopublikum von diesen internen Änderungen unberührt bleibt. Die Hörer sollen weiterhin Programme in gewohnter Qualität hören. Online-Nutzer hingegen sollen von einem besseren, aktuelleren und vielfältigeren Angebot profitieren.
Mitarbeiterbedenken und Management-Antwort
Trotz des offiziellen Szenarios für Newsroom 3.0 haben viele Mitarbeitende des Studios Bern erhebliche Bedenken geäussert. Obwohl es keinen öffentlichen Protest gab, anders als vor sieben Jahren, als die Schliessung des Standorts drohte, hat ein grosser Teil der Belegschaft intern starke Vorbehalte geäussert. Diese Bedenken ergaben sich aus Interviews mit verschiedenen Personen, die es vorzogen, nicht öffentlich zu sprechen.
Einige Mitarbeitende sehen die Reform jedoch positiv. Sie glauben, dass sich auch das Radio weiterentwickeln und veraltete Prozesse aufgeben muss.
Kritik an Qualität und Zeitpunkt
Der Kern der Mitarbeiterkritik lehnt das Newsroom 3.0-Modell nicht vollständig ab. Stattdessen plädieren sie für einen reibungsloseren Übergang und hinterfragen die Richtung und den Zeitpunkt der Reform. Ein Hauptanliegen ist die potenzielle Auswirkung auf die journalistische Qualität.
Einige glauben, dass das neue Organigramm zu mehr administrativen Aufgaben und weniger tatsächlicher journalistischer Arbeit führen wird. Die Auflösung sendungsspezifischer Redaktionsteams, so argumentieren sie, könnte hohe Qualitätsstandards gefährden. Sie befürchten, dass die neue Struktur journalistische Diskussionen auf weniger Personen konzentrieren wird, was zu weniger Ideenvielfalt und Originalität führen könnte.
Eine zentrale Kritik ist, dass effiziente und gut funktionierende Strukturen unnötig abgebaut werden.
Der Zeitpunkt der Reform wirft auch Fragen bei den SRF-Mitarbeitenden in Bern auf. Erstens wird die Redaktion des "Echo der Zeit" kurz vor ihrem 80-jährigen Jubiläum aufgelöst. Zweitens birgt die Einführung eines neuen Betriebsmodells kurz vor einer Abstimmung über die "Halbierungsinitiative" das Risiko negativer Schlagzeilen, falls die Änderungen nicht wie geplant verlaufen.
"Wir sind uns bewusst, dass wir das Ganze sorgfältig angehen müssen", sagt Co-Chefredakteur Soltermann.
Ursula Gabathuler und Beat Soltermann nehmen die Kritik zur Kenntnis. Sie begrüssen den Input der Mitarbeitenden und verstehen die Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Qualität der Inhalte, die auch für sie Priorität hat. Sie berichten von vielen Gesprächen während des Bewerbungsprozesses für neue Rollen und stellen eine starke Bereitschaft der Mitarbeitenden fest, den Prozess mitzugestalten.
"Es brauchte einen Moment, um den Leuten zu zeigen: Stillstand ist keine Option. Wir müssen uns bewegen", sagt Ursula Gabathuler. Beide deuten auch an, dass die Reform auf dem Papier bedeutender erscheinen mag, als sie sich im Arbeitsalltag anfühlen wird. "Natürlich gibt es Veränderungen. Aber für die meisten Leute hier im Haus ändert sich grundlegend nicht viel", sagt Beat Soltermann.
Zukunftsausblick und weitere Integration
Ob die Änderungen als geringfügig oder gross wahrgenommen werden, bleibt eine Frage der Perspektive. Diese Reform ist wahrscheinlich nur ein Schritt in einem längeren Prozess. Eine weitere Harmonisierung der Prozesse wird mit der geplanten, aber noch nicht terminierten Zusammenlegung der derzeit getrennten Video- und Audio/Digital-Redaktionen erwartet.
Darüber hinaus könnte das Ergebnis der Abstimmung über die "Halbierungsinitiative" völlig neue Dynamiken einführen. Newsroom 3.0 ist daher eine Etappe in einem fortlaufenden Prozess mit ungewisser Zukunft.