Die Universität Bern hat eine geplante Abschlussrede von Nicoletta della Valle, der ehemaligen Chefin des Bundesamtes für Polizei (Fedpol), abgesagt. Die Entscheidung folgt auf eine öffentliche Debatte über ihre neue Beratertätigkeit bei einer israelisch-schweizerischen Investmentfirma mit Verbindungen zum Verteidigungssektor.
Frau della Valle sollte im März 2026 vor Absolventinnen und Absolventen des Diplomstudiengangs Public Administration sprechen. Die Universität bestätigte, dass die Absage in Absprache mit ihr erfolgte, nachdem sie angeblich auf die potenziellen Reputationsrisiken für die Institution hingewiesen hatte.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Universität Bern hat eine Einladung an die ehemalige Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle, eine Abschlussrede zu halten, zurückgezogen.
- Die Absage steht im Zusammenhang mit ihrer umstrittenen Beraterposition bei Champel Capital, einer israelisch-schweizerischen Investmentfirma.
- Della Valle selbst räumte das Potenzial für Reputationsschäden für die Universität ein.
- Die Entscheidung fällt in eine Zeit erhöhter Sensibilität an der Universität bezüglich Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt.
Kontroverse um Rolle nach dem Regierungsdienst
Nicoletta della Valles Übergang vom öffentlichen Dienst in den Privatsektor hat erhebliche Aufmerksamkeit erregt. Nur wenige Monate nach ihrem Ausscheiden als Chefin der Schweizer Bundespolizei nahm sie ein Beratungsmandat bei Champel Capital an.
Das Portfolio der Firma, das Investitionen in israelische Technologie-, Sicherheits- und Verteidigungsunternehmen umfasst, wurde zu einem Streitpunkt. Die Verbindung löste Bedenken hinsichtlich potenzieller Interessenkonflikte und der Nutzung sensibler Kenntnisse aus, die sie während ihrer Zeit in einer nationalen Sicherheitsposition erworben hatte.
Die Angelegenheit eskalierte, als Bundesrat Beat Jans, ihr ehemaliger Vorgesetzter, eine ungewöhnlich direkte öffentliche Warnung aussprach. Er warnte Frau della Valle davor, vertrauliche Regierungsinformationen in ihrer neuen Rolle preiszugeben, und betonte die Ernsthaftigkeit, mit der die Regierung die Situation betrachtete.
Hintergrund zu Champel Capital
Champel Capital ist eine Risikokapitalgesellschaft mit Büros in Israel und der Schweiz. Sie konzentriert sich auf Investitionen in israelische High-Tech-Unternehmen in verschiedenen Sektoren, einschliesslich Cybersicherheit und Verteidigungstechnologie. Die Investitionen der Firma in Unternehmen mit militärischen Anwendungen standen im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte um della Valles neue Rolle.
Universität nennt Reputationsrisiko
Die Universität Bern hat sich zu den genauen Gründen für die Absage der Rede bedeckt gehalten. In einer schriftlichen Erklärung bestätigte die Medienabteilung der Universität die Entscheidung, ging jedoch nicht darauf ein, ob Frau della Valles neue Rolle als unpassendes Beispiel für zukünftige Beamte angesehen wurde.
Die Universität erklärte jedoch, dass die Absage nach Gesprächen mit Frau della Valle erfolgte. Gemäss ihrer Erklärung „wies Frau della Valle selbst wiederholt auf ein mögliches Reputationsrisiko“ für die Institution hin. Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidung einvernehmlich getroffen wurde, um weitere Kontroversen für beide Parteien zu vermeiden.
Die Wahl eines Hauptredners für eine Abschlussfeier im Bereich Public Administration ist bedeutsam. Solche Veranstaltungen sollen Absolventen inspirieren, die eine Karriere in Regierung und öffentlichem Dienst anstreben. Die Kontroverse um Frau della Valles Beschäftigung im Privatsektor warf wahrscheinlich Fragen über die Botschaft auf, die ihre Anwesenheit an die nächste Generation von Beamten senden würde.
Ein Muster der Vorsicht an der Universität
Die Entscheidung, Frau della Valles Rede abzusagen, kann auch im breiteren Kontext des jüngsten Umgangs der Universität Bern mit politisch sensiblen Ereignissen gesehen werden. Die Institution hat eine zunehmende Vorsicht bei Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt gezeigt.
In einem bemerkenswerten jüngsten Fall verweigerte die Universität den Zugang zu Veranstaltungsräumen für eine Veranstaltung mit Francesca Albanese, der UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete. Die Universität führte offiziell Bedenken an, dass die Veranstaltung möglicherweise nicht ausreichend „ausgewogen“ sei. Kritiker sahen den Schritt jedoch als Versuch, Kontroversen zu vermeiden.
Institutionelle Neutralität
Schweizer Universitäten bewegen sich oft auf einem komplexen Pfad, um die institutionelle Neutralität zu wahren, insbesondere bei stark polarisierten internationalen Themen. Entscheidungen über Gastredner und Veranstaltungen können intensive Prüfungen durch Studentengruppen, Fakultäten und die Öffentlichkeit nach sich ziehen, was viele Institutionen dazu veranlasst, vorsichtigere Richtlinien zu erlassen, um nicht als parteiisch wahrgenommen zu werden.
Angesichts dieses Präzedenzfalls hätte die Einladung von Frau della Valle, die von einigen aufgrund ihrer neuen Rolle als pro-israelisch wahrgenommen wird, als inkonsistent angesehen werden können. Beobachter spekulieren, dass die Universität möglicherweise präventiv gehandelt hat, um Vorwürfe der Voreingenommenheit zu vermeiden, ähnlich denen, die bei der Albanese-Veranstaltung aufkamen.
Weitere Auswirkungen auf della Valles Zukunftspläne
Die Folgen des Champel Capital Mandats scheinen über den abgesagten Universitätsauftritt hinauszugehen. Laut Berichten der „NZZ am Sonntag“ stossen auch Frau della Valles Pläne, ein Beratungs-Café in Bern zu eröffnen, auf Schwierigkeiten.
Das Konzept sah einen Raum vor, in dem sie ihr Fachwissen und ihre Beratung anbieten konnte. Die öffentliche Diskussion um ihre Verbindungen zur israelischen Investmentfirma hat jedoch Berichten zufolge dazu geführt, dass sich einige Kollaborateure aus dem Projekt zurückgezogen haben. Dies deutet darauf hin, dass die Kontroverse spürbare Auswirkungen auf ihre beruflichen Unternehmungen nach dem Ausscheiden aus dem Bundesdienst hat.
„Sie will in Bern ein Café eröffnen, doch nun wenden sich offenbar wegen der öffentlichen Diskussion Weggefährten ab.“ – Auszug aus einem Bericht der „NZZ am Sonntag“.
Frau della Valle hat sich entschieden, weder zur Absage ihrer Rede noch zu den gemeldeten Schwierigkeiten mit ihrem Café-Projekt öffentlich Stellung zu nehmen. Ihr Schweigen lässt viele Fragen zu ihrer Perspektive auf die Kontroverse und ihre Zukunftspläne unbeantwortet.
Die Situation unterstreicht die intensive Prüfung, der sich öffentliche Amtsträger in der Schweiz gegenübersehen, wenn sie in den Privatsektor wechseln, insbesondere wenn ihre neuen Rollen politisch sensible oder sicherheitsrelevante Branchen betreffen. Der Fall dient als Mahnung für die Reputationsherausforderungen, die lange nach dem Ende einer Karriere im öffentlichen Dienst auftreten können.