Der Kanton Bern diskutiert derzeit eine bedeutende Änderung seines Wahlsystems, die es Gemeinden ermöglichen könnte, ausländischen Einwohnern das Stimmrecht bei lokalen Wahlen zu gewähren. Diese vorgeschlagene Verfassungsänderung könnte den lokalen Gemeinschaften die Befugnis geben, über eine Angelegenheit zu entscheiden, die die soziale Integration und die lokale Regierungsführung im gesamten Kanton betrifft.
Eine öffentliche Vernehmlassung zu dieser Verfassungsänderung ist im Gange und lädt bis Ende Januar zur Stellungnahme ein. Diese Initiative geht auf einen vom Grossen Rat verabschiedeten Vorstoss zurück, der einen Schritt in Richtung grösserer lokaler Autonomie in politischen Angelegenheiten signalisiert.
Wichtige Erkenntnisse
- Der Kanton Bern prüft eine Verfassungsänderung für kommunale Stimmrechte für ausländische Einwohner.
- Gemeinden würden die Autonomie erhalten, über die Gewährung dieser Rechte zu entscheiden.
- Ausländische Einwohner müssen spezifische Aufenthaltsanforderungen erfüllen: 10 Jahre in der Schweiz, 5 im Kanton Bern und 3 Monate in der lokalen Gemeinde.
- Eine öffentliche Vernehmlassung zu den vorgeschlagenen Änderungen ist bis zum 27. Januar offen.
- Rund 600 Schweizer Gemeinden erlauben bereits ausländischen Einwohnern das Stimmrecht.
Stärkung der lokalen Gemeinschaften
Der Regierungsrat, die Kantonsregierung Berns, hat ein Vernehmlassungsverfahren zur Einführung eines optionalen kommunalen Stimmrechts für ausländische Einwohner eingeleitet. Dies bedeutet, dass einzelne Gemeinden die Befugnis hätten zu entscheiden, ob sie wahlberechtigten nicht-schweizerischen Bürgern, die in ihren Grenzen wohnen, Stimmrechte gewähren wollen.
Wenn eine Gemeinde dies umsetzen möchte, müsste sie ihre lokalen Vorschriften entsprechend anpassen. Dieser Rahmen betont die Subsidiarität und ermöglicht Entscheidungen auf der am besten geeigneten lokalen Ebene.
Zulassungskriterien
Um sich für kommunale Stimmrechte zu qualifizieren, müssen ausländische Einwohner mehrere Bedingungen erfüllen:
- Besitz einer gültigen C-Bewilligung (Niederlassungsbewilligung).
- Ununterbrochener Aufenthalt in der Schweiz für mindestens zehn Jahre.
- Wohnsitz im Kanton Bern für mindestens fünf Jahre.
- Wohnsitz in der spezifischen Gemeinde für mindestens drei Monate.
- Erreichen des gesetzlichen Wahlalters.
Der Weg zur Verfassungsänderung
Der aktuelle Vorschlag erfordert eine Teilrevision sowohl der Kantonsverfassung als auch des Gemeindegesetzes. Dies weist auf die tiefgreifenden rechtlichen Auswirkungen einer solchen Änderung hin, die einen breiten Konsens und sorgfältige legislative Arbeit erfordert.
Die Vernehmlassungsfrist ist eine entscheidende Phase, die es verschiedenen Interessengruppen, einschliesslich politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen und der Öffentlichkeit, ermöglicht, ihre Meinungen zu äussern und zum Entscheidungsprozess beizutragen. Die Frist für die Einreichung von Stellungnahmen ist der 27. Januar.
"Die Gewährung von Autonomie für politische Rechte an Gemeinden ist ein Schritt hin zu einer inklusiveren lokalen Regierungsführung. Sie würdigt die langfristigen Beiträge ausländischer Einwohner zu ihren Gemeinschaften."
Hintergrund des Vorstosses
Die Initiative für diese Änderung ging nicht allein vom Regierungsrat aus. Sie stammt aus einem interfraktionellen Vorstoss mit dem Titel "Kommunale Autonomie für politische Rechte!", den der Grosse Rat in seiner Herbstsession 2024 knapp genehmigte. Dieser legislative Erfolg unterstreicht einen wachsenden politischen Willen, die Integration ausländischer Einwohner auf lokaler Ebene anzugehen.
Ein breiterer Schweizer Trend
Berns Überlegungen zum kommunalen Stimmrecht für ausländische Einwohner sind in der Schweiz kein Einzelfall. Tatsächlich haben viele andere Schweizer Gemeinden bereits ähnliche Massnahmen ergriffen.
Derzeit haben etwa 600 von 2.131 Schweizer Gemeinden das Stimmrecht für ausländische Einwohner eingeführt. Dies zeigt einen klaren Trend im ganzen Land zu einer stärkeren politischen Partizipation von langfristig ansässigen nicht-schweizerischen Einwohnern auf lokaler Ebene. Der Kanton Bern würde sich, wenn er diese Änderung umsetzt, einer beträchtlichen Anzahl anderer Gemeinden anschliessen, die praktische Wege gefunden haben, ihre vielfältigen Bevölkerungen in die lokale Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Auswirkungen auf die lokale Regierungsführung
Wird diese Änderung genehmigt, könnte sie die lokale Regierungsführung in Bern tiefgreifend beeinflussen. Sie würde es den Gemeinden ermöglichen, ihre Wahlsysteme an ihre spezifischen demografischen Realitäten und Integrationspolitiken anzupassen. Gemeinden mit einem hohen Anteil an langfristig ansässigen ausländischen Einwohnern könnten eher geneigt sein, Stimmrechte zu gewähren, um deren wirtschaftliche und soziale Beiträge anzuerkennen.
Die Debatte um dieses Thema dreht sich oft um die Prinzipien der Demokratie, der Repräsentation und die praktischen Vorteile der Einbeziehung aller Einwohner in lokale Angelegenheiten. Befürworter argumentieren, dass die Ermöglichung des Stimmrechts für langfristig ansässige Einwohner die lokale Demokratie stärkt und ein grösseres Gefühl der Zugehörigkeit und Verantwortung innerhalb der Gemeinschaft fördert. Gegner äussern manchmal Bedenken hinsichtlich der nationalen Identität und des Umfangs der Staatsbürgerschaft.
Nächste Schritte im Prozess
Nach Abschluss der Vernehmlassungsfrist am 27. Januar wird der Regierungsrat alle eingereichten Stellungnahmen prüfen. Dieses Feedback wird dann den endgültigen Vorschlag für die Verfassungs- und Gesetzesänderungen beeinflussen.
Der überarbeitete Vorschlag wird dann den kantonalen Gesetzgebungsprozess durchlaufen, der weitere Debatten und Abstimmungen im Grossen Rat umfasst. Letztendlich würde jede Verfassungsänderung wahrscheinlich einer Volksabstimmung im gesamten Kanton Bern unterzogen, wodurch die Bürger das letzte Wort in dieser wichtigen Angelegenheit hätten.
Dieser Prozess unterstreicht die direktdemokratischen Traditionen der Schweiz, wo bedeutende Verfassungsänderungen die Zustimmung der Bevölkerung erfordern. Die Entscheidung in Bern könnte einen Präzedenzfall für andere Kantone schaffen, die ähnliche Reformen in Betracht ziehen.




