Ein kürzliches jährliches Treffen der Schweizer Verteidigungsindustrie in Bern sah eine beispiellose Einladung an ausländische Militärattachés. Darunter war auch der Militärattaché Chinas, dessen Anwesenheit unter Geheimdienstexperten eine Debatte und Besorgnis über potenzielle Spionagerisiken ausgelöst hat. Dies ist das erste Mal, dass solche ausländischen Vertreter an der Veranstaltung teilgenommen haben.
Wichtige Erkenntnisse
- Chinas Militärattaché nahm an einem Treffen der Schweizer Verteidigungsindustrie in Bern teil.
- Experten warnen vor potenziellen Spionagerisiken und verweisen auf Chinas Geheimdienstaktivitäten.
- Das Bundesamt für Rüstung stuft das Risiko als gering ein.
- Die Einladung zielte darauf ab, die sich entwickelnden Schweizer Exportregeln für Kriegsmaterial zu präsentieren.
- Zukünftige Einladungen für ausländische Attachés sind geplant, Russland ausgenommen.
Ausländische Attachés treten Schweizer Verteidigungsindustrie bei
Letzte Woche versammelten sich über 250 Führungskräfte des Schweizer Verteidigungssektors in der Berner Kaserne zu ihrer jährlichen Branchenorientierung. Diese Veranstaltung, organisiert vom Bundesamt für Rüstung (armasuisse), bringt typischerweise Führungskräfte grosser Hersteller wie Ruag und Rheinmetall zusammen, neben Vertretern kleinerer, diskreterer Firmen.
Dieses Jahr führte das Treffen ein neues Element ein: die Einbeziehung ausländischer Militärattachés. Diese Entscheidung folgte einer Anfrage eines westlichen Attachés zur Teilnahme. Anschliessend lud armasuisse alle akkreditierten Attachés ein, mit Ausnahme des russischen Vertreters.
Fakt: Militärattachés in der Schweiz
Über 40 Militärattachés sind in der Schweiz akkreditiert. Etwa ein Viertel wohnt im Land, während andere in Nachbarstaaten ansässig sind und mehrere Nationen abdecken. Sie dienen als sicherheitspolitische Vertreter und berichten über militärische Entwicklungen und die Sicherheitslage in ihren Gastländern.
Obwohl die Einladung breit gefächert war, nahmen nur wenige Nationen an. Vertreter aus Südkorea, Deutschland und Österreich waren anwesend. Die Anwesenheit des chinesischen Militärattachés erregte jedoch besondere Aufmerksamkeit und Kritik.
Spionagebedenken von Experten hervorgehoben
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) identifiziert Russland und China als die Hauptquellen von Spionagebedrohungen für die Schweiz. Personen mit privilegiertem Zugang zu sensiblen Bereichen, wie sie in der Verteidigungsindustrie zu finden sind, gelten als Hauptziele.
Adrian Hänni, ein Historiker, der sich am Institut für Zeitgeschichte München auf Nachrichtendienste spezialisiert hat, äusserte erhebliche Bedenken hinsichtlich der Anwesenheit des chinesischen Attachés. "Dies ist eine sehr interessante Veranstaltung für einen chinesischen Militärattaché", erklärte Hänni. Er erläuterte, dass eine solche Gelegenheit es ermöglicht, Schlüsselpersonen zu identifizieren, Beziehungen zu pflegen und möglicherweise zukünftige Rekrutierungsversuche vorzubereiten.
"Tagungen wie diese können ideal sein, um mögliche Spionageziele zu identifizieren."
Ralph Weber, Professor an der Universität Basel und Experte für Chinas Machtstrukturen, teilte diese Ansichten. Er bemerkte, dass China verschiedene Akteure, einschliesslich Botschaftspersonal, zur Informationsbeschaffung einsetzt. Weber betonte die Notwendigkeit von Vorsicht im Umgang mit solchen Personen, eine Warnung, die der NDB konsequent ausspricht.
Hintergrund: Was Militärattachés tun
Militär- oder Verteidigungsattachés sind diplomatische Beamte, die ihre jeweiligen Verteidigungsministerien und Streitkräfte vertreten. Sie befassen sich mit bilateralen Sicherheitsfragen und berichten über militärische Entwicklungen und die Sicherheitslage in ihrem Gastland. Sie sind Mitglieder der Botschaft ihres Landes.
Armasuisse spielt Risiko herunter, verweist auf Transparenz
Urs Loher, Direktor des Bundesamtes für Rüstung, wies die Spionagebedenken zurück. Er beschrieb das Risiko als "gering" und betonte den öffentlichen Charakter der Veranstaltung. Loher erklärte, dass während des Treffens keine vertraulichen Informationen preisgegeben wurden.
Er bemerkte auch, dass es den Industrievertretern freisteht zu entscheiden, was sie in bilateralen Gesprächen teilen. Trotz Lohers Einschätzung deuten Berichte darauf hin, dass die chinesische Präsenz interne Diskussionen innerhalb des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ausgelöst hat.
Ziele hinter den Einladungen
Loher stellte klar, dass ein Hauptziel der Einladung ausländischer Attachés darin bestand, die sich entwickelnde Haltung der Schweiz zu den Exportregeln für Kriegsmaterial zu signalisieren. Er deutete an, dass die Schweiz auf eine Lockerung dieser Vorschriften zusteuert. "Deshalb war es sogar gut, dass Attachés anwesend waren", kommentierte Loher.
Dieser strategische Schritt zielt darauf ab, internationalen Partnern den überarbeiteten Ansatz der Schweiz zu vermitteln. Es wird erwartet, dass eine grössere Transparenz hinsichtlich regulatorischer Änderungen zukünftige Verteidigungskooperationen und Exporte erleichtern könnte.
Zukünftige Einladungen und Expertenwarnungen
Für die Zukunft beabsichtigt Loher, auch im nächsten Jahr wieder Militärattachés einzuladen. Diese Entscheidung unterstreicht das Engagement der Bundesregierung für diese neue Engagementstrategie, trotz der von Geheimdienstexperten geäusserten Kritik.
Adrian Hänni anerkannte die diplomatische Begründung für solche Einladungen. Er behielt jedoch seine Haltung zu den Spionagerisiken bei. "Aus Sicht der Spionageabwehr ist die Anwesenheit des chinesischen Militärattachés sehr heikel, und es gäbe gute Gründe, ihn nicht noch einmal dabei zu haben", schloss Hänni.
Der Spagat zwischen diplomatischem Engagement und nationaler Sicherheit bleibt eine komplexe Herausforderung für die Schweizer Behörden. Die Debatte verdeutlicht die anhaltende Spannung zwischen der Förderung internationaler Beziehungen und dem Schutz sensibler Industrieinformationen.
- Der Schweizer Nachrichtendienst warnt vor chinesischer Spionage.
- Die Verteidigungsindustrie ist ein häufiges Ziel für ausländische Geheimdienste.
- Die Identifizierung potenzieller Rekrutierungsziele ist eine gängige Geheimdiensttaktik.
- Die Veranstaltung bot eine Gelegenheit zum Networking unter Branchenführern.




