Jüngste Diskrepanzen bei den Schätzungen der Getreide- und Ölsaatenanbauflächen haben im Schweizer Agrarsektor Fragen aufgeworfen. Erste Berichte deuteten auf einen Rückgang der Anbauflächen hin, was zu Verwirrung bei den Akteuren der Branche führte. Diese Situation verdeutlicht die Notwendigkeit, die Methoden hinter diesen entscheidenden landwirtschaftlichen Prognosen zu verstehen und wie sie für eine höhere Genauigkeit verbessert werden können.
Wichtige Erkenntnisse
- Agristat, der statistische Dienst des Schweizer Bauernverbandes, erstellt alle offiziellen Ernteschätzungen.
- Erste Schätzungen basieren auf Saatgutverkäufen und Bauernumfragen, aber spätere Daten aus Direktzahlungsanträgen sind entscheidend.
- Eine kürzliche „Fehlinterpretation“ von Daten führte zu einer ungenauen Mai-Schätzung der Anbauflächen.
- Ein früherer Zugang zu Bundes- und Kantonsdaten ist für zuverlässigere und zeitnahe Prognosen unerlässlich.
- Swissgranum und Agristat arbeiten zusammen, um sicherzustellen, dass nur eine offizielle Erntezahl veröffentlicht wird.
Wer ist für die Ernteschätzungen verantwortlich?
Die Verantwortung für die Schweizer Ernteschätzungen ist klar. Agristat, der statistische Dienst des Schweizer Bauernverbandes, führt alle Berechnungen durch. Agristat arbeitet im Auftrag von Swissgranum. Jedes Jahr erstellen sie Zahlen für die Anbauflächen und Erntemengen von Getreide, Ölsaaten und Eiweisspflanzen.
Swissgranum veröffentlicht diese Berichte dann. Sie verbreiten die Informationen auch über Medienmitteilungen an die Branche. Dies gewährleistet eine einheitliche Botschaft.
„Es gibt nur eine gemeinsame Ernteschätzung von Agristat und Swissgranum“, erklärt Stephan Scheuner, Direktor von Swissgranum. „Alles andere ist eine Fehlinterpretation.“ Dies verdeutlicht die einzige Quelle offizieller Daten.
Wie werden Ernteprognosen entwickelt?
Diese Prognosen stützen sich auf mehrere wichtige Datenquellen. Zuerst berücksichtigt Agristat die Saatgutverkäufe. Zweitens führen sie Stichprobenumfragen bei etwa 1.000 Produzenten durch. Drittens werden Ergebnisse der eidgenössischen Landwirtschaftsstrukturerhebung einbezogen. Diese Kerndaten bilden die Grundlage der Schätzungen.
Fakt: Dateneingaben
- Daten zu Saatgutverkäufen
- Umfragen von ca. 1.000 Landwirten
- Ergebnisse der eidgenössischen Landwirtschaftsstrukturerhebung
- Klimatische Bedingungen während der Aussaat
- Verbleibender Saatgutbestand
- Anbauflächen der Vorjahre
Zusätzliche Faktoren beeinflussen die Vorhersagen ebenfalls. Dazu gehören die klimatischen Bedingungen während der Aussaat, eventuell verbleibende Saatgutbestände und Anbauflächen aus früheren Jahren. Die Genauigkeit einer Schätzung hängt stark von den verfügbaren Daten ab.
Die Herausforderung zeitnaher Daten
Ein jüngstes Problem verdeutlichte die Bedeutung zeitnaher Daten. Für die zweite Schätzung im Mai 2025 waren nur die Strukturdaten des Bundesamtes für Statistik für 2024 und die Saatgutverkaufszahlen verfügbar. Entscheidende AGIS-Daten des Bundesamtes für Landwirtschaft trafen viel später ein, nämlich Ende Juli. Diese AGIS-Daten basieren auf den Direktzahlungsanträgen der Landwirte.
Nach Erhalt der AGIS-Daten überprüfte Agristat seine Mai-Schätzung. Die Überprüfung ergab, dass die prognostizierte Entwicklung der Anbauflächen falsch war. Die ursprüngliche Prognose stimmte nicht mit den tatsächlichen Zahlen überein.
„Hier war eine Fehlinterpretation erfolgt“, erklärte Stephan Scheuner der BauernZeitung. Dieses Eingeständnis unterstreicht die Auswirkungen unvollständiger oder verspäteter Informationen auf frühe Prognosen.
Kontext: Datenverzögerungen
Die Verzögerung beim Erhalt der AGIS-Daten, die auf Direktzahlungsanträgen basieren, wirkt sich erheblich auf die Genauigkeit früher Ernteschätzungen aus. Diese Daten liefern ein umfassenderes Bild der tatsächlichen Anbauflächen. Ohne sie sind erste Prognosen weniger präzise.
Verbesserung der Schätzungszuverlässigkeit
Die zentrale Frage ist nun, wie diese Schätzungen zuverlässiger gemacht werden können. Stephan Scheuner ist der Meinung, dass die Antwort in der Verbesserung der Datenflüsse liegt. Er betont die Notwendigkeit eines früheren Zugangs zu Informationen aus Bundes- und Kantonsquellen. Dies würde Agristat ermöglichen, genauere vorläufige Schätzungen zu erstellen.
Scheuner schlägt vor, dass provisorische Projektionen der Kantone eine Lösung sein könnten. „Dies sollte unserer Meinung nach möglich sein“, bestätigt er. Ein früherer Zugang zu solchen Daten würde Agristat ermöglichen, seine Schätzungen viel früher in der Saison zu verfeinern.
Der aktuelle Zeitplan für diese Operationen ist eng. Agristat führt auch Umfragen durch, um die Erträge von Ackerfrüchten zu ermitteln. Ein Netzwerk von Berichterstattern, bestehend aus Landwirten, übermittelt ihre Ertragsdaten Ende August und Ende Oktober. Diese gestaffelte Berichterstattung erhöht die Komplexität.
Warum Erntezahlen nicht früher veröffentlicht werden
Viele Landwirte fragen sich, warum die Erntemengen nicht früher veröffentlicht werden. Der Grund ist der Erhebungsrhythmus. Andere Agristat-Daten erscheinen in diesem Zeitraum auch in der Getreidestatistik des Schweizer Bauernverbandes. Der Prozess erfordert eine sorgfältige Koordination und Datenerfassung über die Zeit.
Letztendlich wird nur eine endgültige Zahl als offiziell betrachtet. Swissgranum registriert Erstkäufer, wie Sammelstellen und Mühlen. Diese Unternehmen melden die Mengen, die sie erhalten haben. Diese Informationen sind wesentlich für die Berechnung der tatsächlichen Erntemengen.
Diese Berechnung erfolgt in Absprache mit Agristat. Für Bio-Kulturen ist auch Bio Suisse involviert. Nicht alle Kulturen können vollständig erfasst werden. In diesen Fällen berechnet Agristat die Erntemengen anhand der Anbauflächen und der Durchschnittserträge.
„Schliesslich werden die offiziellen Erntemengen, die von Swissgranum und Agristat vereinbart wurden, veröffentlicht“, betont Scheuner. Dieser Prozess stellt sicher, dass der Öffentlichkeit und der Industrie nur eine einzige, einheitliche Zahl mitgeteilt wird.
Dieses Engagement für eine einzige, verifizierte Zahl trägt dazu bei, Klarheit und Vertrauen auf dem Agrarmarkt zu wahren, trotz der inhärenten Herausforderungen der Datenerfassung und Prognose.




