Der Kanton Bern prüft die Einführung einer neuen Steuer auf Zweitwohnungen, nachdem eine nationale Abstimmung zur Abschaffung des Eigenmietwerts stattgefunden hat. Diese Änderung wird voraussichtlich zu erheblichen Einnahmeausfällen führen, wobei der Kanton mit einem Verlust von 100 Millionen Franken und seine Gemeinden mit über 50 Millionen Franken jährlich rechnen müssen.
Regierungsvertreter haben bestätigt, dass sie den Vorschlag für eine Sondersteuer auf Ferienimmobilien prüfen werden, eine Massnahme, die die finanzielle Lücke schliessen soll. Der Weg zur Umsetzung ist jedoch komplex und langwierig, wobei die Beamten davon ausgehen, dass eine Frist bis 2028 wahrscheinlich nicht einzuhalten ist.
Wichtigste Erkenntnisse
- Die Abschaffung des Eigenmietwerts wird den Kanton Bern 100 Millionen Franken und die Gemeinden über 50 Millionen Franken an jährlichen Einnahmen kosten.
- Eine Sondersteuer auf Zweitwohnungen wird als Möglichkeit in Betracht gezogen, diese Verluste auszugleichen, insbesondere in touristisch geprägten Regionen wie dem Berner Oberland.
- Politische Führungskräfte aus betroffenen Gemeinden und der SP drängen auf einen schnellen Prozess, doch die Regierung rechnet mit einem langen Zeitplan für Gesetzgebung und öffentliche Genehmigung.
- Beamte erklären, dass die Einhaltung des von der Bundesregierung vorgeschlagenen Umsetzungsdatums 2028 für den Kanton "kaum machbar" ist.
Erhebliche finanzielle Auswirkungen auf Bern
Die jüngste Entscheidung der Schweizer Stimmberechtigten, den Eigenmietwert abzuschaffen, hat den Kanton Bern vor erhebliche finanzielle Herausforderungen gestellt. Diese Steuer erforderte von Hausbesitzern, ein fiktives Einkommen basierend auf dem potenziellen Mietwert ihres Hauptwohnsitzes zu deklarieren.
Mit ihrer Abschaffung wird der Kantonshaushalt direkt betroffen sein. Prognosen deuten auf einen Einnahmeverlust von rund 100 Millionen Schweizer Franken für die Kantonsregierung hin. Die Gemeinden werden zusammen ebenfalls über 50 Millionen Schweizer Franken verlieren. Die endgültigen Beträge werden je nach zukünftigem Zinsumfeld schwanken.
Was war der Eigenmietwert?
Der Eigenmietwert war eine Besonderheit des Schweizer Steuersystems. Er behandelte Wohneigentum als Einkommensquelle. Die Steuerbehörden berechneten ein hypothetisches Mieteinkommen, das ein Hausbesitzer durch die Vermietung seiner Immobilie erzielen könnte. Dieser Betrag wurde dem steuerbaren Einkommen des Eigentümers hinzugerechnet, auch wenn er selbst in der Immobilie wohnte. Im Gegenzug konnten Hausbesitzer Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten abziehen.
Touristische Regionen überproportional betroffen
Die finanzielle Belastung ist nicht gleichmässig über den Kanton verteilt. Gemeinden in beliebten Tourismusdestinationen, wie jene im Berner Oberland, werden am stärksten betroffen sein. Diese Gebiete weisen eine hohe Konzentration von Zweitwohnungen und Ferienimmobilien auf, die ebenfalls dem Eigenmietwert unterlagen.
Orte wie Lauterbrunnen und Adelboden sind auf eine Steuerbasis angewiesen, die zahlreiche Nicht-Hauptwohnsitze umfasst. Gemäss offiziellen Berechnungen könnten einige dieser Gemeinden eine Reduktion ihrer gesamten Steuereinnahmen von bis zu drei Prozent erfahren. Dies stellt einen erheblichen Schlag für die lokalen Budgets dar, die öffentliche Dienstleistungen und Infrastruktur finanzieren.
Neue Steuer auf Zweitwohnungen vorgeschlagen
Um den drohenden Einnahmeausfällen entgegenzuwirken, wird ein neues fiskalisches Instrument in Betracht gezogen: eine Sondersteuer, die speziell auf Zweitwohnungen abzielt. Die Verfassungsänderung, die den Eigenmietwert beendete, enthielt eine Bestimmung, die es den Kantonen erlaubt, eine solche Massnahme einzuführen.
Die Berner Regierung hat offiziell ihre Absicht erklärt, die Einführung dieser Steuer zu "prüfen". Am Montag bestätigte die kantonale Finanzdirektion, dass die Angelegenheit "umgehend" behandelt werde, was den Beginn eines formellen Evaluationsprozesses signalisiert.
Finanzprognosen auf einen Blick
- Verlust Kanton Bern: 100 Millionen CHF
- Gesamtverlust Gemeinden: Über 50 Millionen CHF
- Potenzieller Rückgang der Gemeindeeinnahmen: Bis zu 3% in Tourismusgebieten
Forderungen nach raschem Handeln von lokalen Führungskräften
Politische Persönlichkeiten aus betroffenen Regionen und Parteien plädieren für eine schnelle Lösung. Sie sehen die Zweitwohnungssteuer als notwendigen Mechanismus zur Stabilisierung der Gemeindefinanzen.
Willy Schranz, Gemeindepräsident von Adelboden, äusserte die Hoffnung auf eine rasche Einführung des neuen Gesetzes, um seiner Gemeinde Klarheit und finanzielle Sicherheit zu verschaffen. Seine Ansicht wird von der Sozialdemokratischen Partei (SP) geteilt.
"Damit wir zumindest einen Teil der Steuerausfälle kompensieren können", erklärte Manuela Kocher Hirt, Grossrätin und Co-Präsidentin der SP des Kantons Bern, und betonte die Notwendigkeit, die Sondersteuer auf Zweitliegenschaften rasch umzusetzen.
Ein langer und komplexer Gesetzgebungsweg
Trotz der Forderungen nach Dringlichkeit ist die Einführung einer neuen Steuer ein mehrstufiger Prozess, der beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen wird. Die Prüfung durch die Regierung ist nur der erste Schritt auf einem langen Gesetzgebungsweg.
Der Prozess wird mehrere Schlüsselphasen umfassen:
- Gesetzesentwurf: Die Kantonsregierung muss zunächst ein neues Gesetz entwerfen, das den rechtlichen Rahmen für die Steuer festlegt.
- Parlamentarische Genehmigung: Das vorgeschlagene Gesetz muss dann vom Kantonsparlament debattiert und verabschiedet werden.
- Volksabstimmung: Es ist sehr wahrscheinlich, dass das neue Steuergesetz einer Volksabstimmung unterzogen wird, bei der die Bürger das letzte Wort haben.
- Gemeindliche Umsetzung: Erst nachdem das kantonale Gesetz in Kraft ist, können einzelne Gemeinden entscheiden, ob sie die Steuer einführen wollen, eine Entscheidung, die ebenfalls eine lokale Abstimmung erfordern würde.
Umsetzung bis 2028 als unrealistisch erachtet
Die Bundesregierung hat das Ziel gesetzt, den Eigenmietwert bis 2028 vollständig abzuschaffen. Beamte in Bern sind jedoch skeptisch, ob dieser Zeitplan für alle damit verbundenen Anpassungen eingehalten werden kann.
Die kantonale Verwaltung hat die Aussicht, die notwendigen Änderungen, einschliesslich des potenziellen neuen Steuersystems, bis Anfang 2028 umzusetzen, als "eine sehr grosse Herausforderung und kaum machbar" bezeichnet. Dies deutet auf eine mögliche Diskrepanz zwischen den Zeitplänen des Bundes und den kantonalen Realitäten hin, was zu einer Phase finanzieller Unsicherheit führen könnte.
Weitere Steuerentscheidungen stehen bevor
Neben der Frage einer Zweitwohnungssteuer muss der Kanton Bern auch über die Zukunft verschiedener Steuerabzüge für Hausbesitzer entscheiden. Derzeit können Eigentümer Kosten für Unterhalt, energetische Sanierungen und Umweltschutzmassnahmen abziehen.
Die Regierung muss nun festlegen, welche dieser Abzüge nach der Abschaffung des Eigenmietwerts, falls überhaupt, bestehen bleiben. Während die Abschaffung aller Abzüge den gesamten Einnahmeverlust reduzieren würde, gelten einige als politisch unerlässlich. Der Abzug für energiesparende und Umweltschutzmassnahmen ist besonders bedeutsam und geniesst breite politische Unterstützung, was seine Abschaffung unwahrscheinlich macht. Die Entscheidungen über diese Abzüge werden die endgültigen fiskalischen Auswirkungen auf Hausbesitzer und den Kantonshaushalt weiter prägen.




