Eine Pilot-Notschlafstelle in Bern für Frauen und FINTA-Personen ist seit ihrer Eröffnung im Juni durchgehend voll belegt. Diese hohe Nachfrage unterstreicht den dringenden Bedarf an dauerhaften, sicheren Übernachtungsmöglichkeiten in der Stadt. Die Berner Behörden suchen nun aktiv nach einer langfristigen Lösung, da die aktuelle temporäre Einrichtung ihrem Schliessungsdatum entgegengeht.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Berner FINTA-Notschlafstelle ist seit Ende Juli jede Nacht voll belegt.
- Das Pilotprojekt bestätigt einen erheblichen Bedarf an sicheren Unterkünften für vulnerable Personen.
- Die Stadt sucht nach einem dauerhaften Standort, nachdem der aktuelle Mietvertrag im April 2026 endet.
- Die Obdachlosigkeit in Bern hat seit 2021 stetig zugenommen.
- Die Notschlafstelle bietet private Zimmer und eine sichere Umgebung, im Gegensatz zu gemischtgeschlechtlichen Einrichtungen.
Pilotprojekt deckt kritischen Bedarf an Schlafplätzen auf
Die temporäre Notschlafstelle, in einer ruhigen Seitenstrasse im Berner Lorraine-Quartier gelegen, öffnete im Juni ihre Türen. Sie wurde als Pilotprojekt der Stadt Bern eingerichtet, um den Bedarf an einer speziellen Einrichtung für Frauen und FINTA-Personen zu ermitteln. Nach drei Monaten Betrieb sind die Daten eindeutig: Die Nachfrage ist erheblich.
Die Einrichtung bietet einen sicheren Hafen für eine, zwei oder mehrere Nächte, wobei die Aufenthalte auf drei Monate begrenzt sind. Diese Struktur zielt darauf ab, sofortige Hilfe und eine stabile Umgebung zu bieten. Das Leben auf der Strasse ist besonders schwierig für Frauen und FINTA-Personen, die oft einem höheren Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt sind und sich in traditionellen gemischtgeschlechtlichen Unterkünften unsicher fühlen.
„Vom ersten Tag an kamen Menschen zu uns. In der ersten Woche hatten wir täglich fünf bis sieben Aufnahmen. Seit Ende Juli sind wir jede Nacht voll belegt“, erklärte Bettina Stocker, die Leiterin der Notschlafstelle.
Stocker äusserte sich besorgt über die kommenden Wintermonate. Ihr Team muss regelmässig Menschen abweisen. Sie schätzt, dass dies „durchschnittlich ein- bis zweimal pro Woche“ geschieht. Die 18 Betten der Notschlafstelle seien ein „Tropfen auf den heissen Stein“, aber sie bieten den Bedürftigen entscheidende Unterstützung.
Obdachlosigkeit nimmt zu
- Die Zahl der Obdachlosen in Bern ist seit 2021 kontinuierlich gestiegen.
- Bestehende Notschlafstellen in der Stadt sind ebenfalls häufig voll ausgelastet.
- Die FINTA-Notschlafstelle bietet 18 spezielle Betten.
Stadt sucht dauerhafte Lösung angesichts steigender Obdachlosigkeit
Die Stadt Bern nimmt die steigende Zahl obdachloser Personen zur Kenntnis. Stadtdaten zeigen einen kontinuierlichen Anstieg der Obdachlosigkeit seit 2021. Um dem entgegenzuwirken, erklärte Claudia Hänzi, Leiterin des städtischen Sozialamtes, dass zwanzig zusätzliche temporäre Betten die bestehenden Dienste im Winter ergänzen werden. Diese Betten stehen allen Personen zur Verfügung, die eine Unterkunft benötigen, nicht nur Frauen und FINTA-Personen. Die genauen Standorte für diese zusätzlichen Betten sind noch unentschieden.
Die FINTA-Notschlafstelle bietet eine einzigartige Umgebung mit mehr Ruhe und Privatsphäre im Vergleich zu allgemeinen Unterkünften. Die meisten Klientinnen und Klienten erhalten ein privates Zimmer und können tagsüber in der Einrichtung bleiben. Sie teilen sich Küchen und Bäder auf jeder Etage, wodurch eine gemeinschaftliche Wohnatmosphäre ähnlich einer Wohngemeinschaft entsteht.
FINTA verstehen
FINTA ist ein Akronym, das für Frauen, Intersex, Non-binäre, Trans- und Agender-Personen steht. Dieser Begriff wird verwendet, um gezielt alle Menschen einzuschliessen, die sich als Frauen identifizieren oder deren Geschlechtsidentität ausserhalb des traditionellen männlich/weiblichen Binärsystems liegt, und erkennt ihre besonderen Schwachstellen und Bedürfnisse nach sicheren Räumen an.
Vielfältige Klientel nutzt spezialisierte Unterstützung
Bettina Stocker hob die vielfältige Gruppe von Menschen hervor, die die FINTA-Notschlafstelle nutzen. Die Klientinnen und Klienten reichen von Personen, die viele Jahre auf der Strasse gelebt haben, bis zu solchen, die ihr Zuhause kürzlich aufgrund häuslicher Gewalt verlassen mussten. Diese vielfältige Gruppe unterstreicht die unterschiedlichen Umstände, die zu Obdachlosigkeit führen, und die Bedeutung massgeschneiderter Unterstützungsdienste.
Stocker erzählte ein Beispiel von einer Klientin, die ihren Job und infolgedessen ihre Personalunterkunft verlor. Solche Situationen zeigen, wie schnell unerwartete Lebensereignisse zu einem Bedarf an Notunterkünften führen können.
Herausforderungen bei der Suche nach einem neuen Standort
Der aktuelle Mietvertrag für die FINTA-Notschlafstelle endet im April 2026. Das Haus ist alt und bedarf umfangreicher Renovierungen, was die Instandhaltung kostspielig macht. Zudem ist das Gebäude nicht barrierefrei. Aufgrund dieser Faktoren hat die Stadt entschieden, die Immobilie nicht für eine dauerhafte Lösung zu erwerben.
Die Stadt Bern arbeitet mit der Heilsarmee zusammen, um bis Mai nächsten Jahres einen neuen Standort für die Notschlafstelle zu finden. Eine Nachfolgelösung ist noch nicht bestätigt.
„Wir suchen ein Haus mit genügend Platz für 18 Personen und ein kleines Team, idealerweise mit einer soliden Grundstruktur“, erklärte Stocker. „Es sollte zentral gelegen sein, damit unsere Klientinnen und Klienten uns zu Fuss erreichen können. Und wenn es etwas Aussenfläche gäbe, wären wir sehr glücklich“, fügte sie lächelnd hinzu.
Die Suche nach einem geeigneten, langfristigen Standort ist entscheidend, um diese wesentlichen Dienste für eine vulnerable Bevölkerungsgruppe in Bern weiterhin anbieten zu können. Die anhaltend hohe Nachfrage bestätigt, dass solche spezialisierten Einrichtungen nicht nur ein temporärer Bedarf, sondern ein vitaler Bestandteil der sozialen Infrastruktur der Stadt sind.
Die Berner Politik evaluiert nun den langfristigen Bedarf an solchen spezialisierten Unterkünften. Der Erfolg des Pilotprojekts zeigt deutlich die Notwendigkeit einer fortgesetzten Unterstützung und Erweiterung dieser Dienste.
Diese Initiative stellt einen wichtigen Schritt in Berns Bemühungen dar, das komplexe Problem der Obdachlosigkeit anzugehen, insbesondere für jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität zusätzlichen Risiken ausgesetzt sind.




