Berns Obdachlosenheime verlangen neu einen Ausweis für Übernachtungen, eine Richtlinie, die Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus erheblich trifft. Diese Entscheidung hat eine Debatte über den Umgang der Stadt mit schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen ausgelöst, insbesondere jenen ohne Papiere, bekannt als Sans-Papiers.
Wichtige Erkenntnisse
- Bern verlangt neu einen Ausweis für den Zugang zu Obdachlosenheimen, was Sans-Papiers betrifft.
- Schätzungen zufolge fehlt über der Hälfte der Berner Obdachlosenbevölkerung ein legaler Aufenthaltsstatus.
- Experten warnen, dass die Richtlinie das ohnehin prekäre Leben von Personen ohne Papiere verschärft.
- Die Debatte dreht sich um Menschenrechte versus Anforderungen an den legalen Aufenthaltsstatus.
- Notschlafstellen gelten als letztes Sicherheitsnetz, besonders während harter Winter.
Neue Regeln treffen schutzbedürftige Personen
Die jüngste Richtlinienänderung in Bern schreibt vor, dass Personen, die eine Übernachtung in einer Notschlafstelle suchen, einen amtlichen Ausweis vorlegen müssen. Dies betrifft direkt Sans-Papiers, die oft keine solchen Dokumente vorweisen können. Jörg Dittmann, Leiter des Instituts für Sozialplanung, Organisationsentwicklung und Stadtentwicklung an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, hebt die schwerwiegenden Folgen hervor.
„Diese Entscheidung trifft Menschen hart, die ohne Aufenthaltsbewilligung und auch ohne Obdach sind. Diese Personen sind auf die Hilfe der Stadt und des Kantons angewiesen. Es ist daher eine erhebliche Verschärfung ihrer ohnehin prekären Lebenssituation“, so Dittmann.
Obdachlosenheime sind eine entscheidende Ressource, insbesondere in den kälteren Monaten. Ohne Zugang sind die Betroffenen gezwungen, im Freien zu schlafen, was erhebliche Risiken durch Kälte und Nässe birgt. Diese Unterkünfte stellen für viele die letzte Verteidigungslinie dar.
Wichtige Statistik
Mehr als 50 % der Berner Obdachlosenbevölkerung sollen schätzungsweise keine legalen Aufenthaltsdokumente besitzen.
Rechtliche und ethische Dilemmata entstehen
Die Notschlafstellen selbst bewegen sich in einem komplexen rechtlichen Umfeld. Einige Einrichtungen berufen sich auf Artikel 12 der Bundesverfassung, der das Recht auf Hilfe in Notlagen garantiert, und argumentieren, dass sie verpflichtet sind, bedürftige Personen unabhängig von ihrem rechtlichen Status aufzunehmen. Diese Haltung stellt die kantonalen Weisungen direkt in Frage.
Artikel 12 der Bundesverfassung besagt: „Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.“
Hintergrund zu Sans-Papiers
Sans-Papiers sind Personen, die sich ohne rechtliche Genehmigung in einem Land aufhalten. Sie stehen oft vor erheblichen Hindernissen beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, Beschäftigung und Wohnraum, was sie zu einer der schutzbedürftigsten Gruppen in der Gesellschaft macht.
Dittmann bezeichnet dies als eine schwierige Rechtsfrage. Auf der einen Seite steht das Argument der Menschenrechte, das besagt, dass jeder Mensch ein Recht auf Obdach hat. Auf der anderen Seite konzentriert sich das Argument auf den rechtlichen Status von Personen, die sich nicht legal im Land aufhalten dürfen. Diese grundlegende Meinungsverschiedenheit hat reale Konsequenzen für diejenigen, die in grosser Not sind.
Begründung des Kantons und Forderungen nach Alternativen
Der Kanton Bern vertritt die Auffassung, dass Notschlafstellen für Personen, die sich legal im Land aufhalten, zugänglich bleiben müssen. Diese Position priorisiert Bürger und legal Ansässige und schafft eine schwierige Situation für Personen ohne Papiere.
Kritiker, darunter Dittmann, argumentieren, dass dieser Ansatz das zugrunde liegende Problem der Obdachlosigkeit unter Sans-Papiers nicht löst. Er betont die Notwendigkeit von Lösungen, die sich nicht ausschliesslich auf Ausgrenzung konzentrieren. Der Ausschluss von Personen aus Notschlafstellen löst ihre Situation nicht; er drängt sie lediglich weiter an den Rand der Gesellschaft.
„Es braucht Überlegungen, wie Menschen, die sich illegal hier aufhalten, auch sicher und würdevoll untergebracht werden können. Hier ist jeder in der Pflicht“, mahnte Dittmann.
Die aktuelle Politik, so warnt er, verfestigt den illegalen Status dieser Personen und nimmt dem Staat die Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu treten, sie über ihre Situation und realistische Zukunftsaussichten zu beraten. Ein ganzheitlicherer Ansatz ist notwendig, der das menschliche Element der Krise anerkennt.
Die umfassenderen Auswirkungen der Ausgrenzung
- Gesundheitsrisiken: Das Schlafen im Freien erhöht die Anfälligkeit für Krankheiten, insbesondere im Winter.
- Sicherheitsbedenken: Personen ohne Papiere werden anfälliger für Ausbeutung und Kriminalität.
- Verlust der Verbindung: Die Trennung von Unterstützungsdiensten erschwert es den Betroffenen, ihre Umstände zu verbessern.
- Humanitäre Bedenken: Die Politik wirft Fragen nach dem Engagement der Schweiz für grundlegende Menschenrechte für alle auf.
Die Bewältigung dieses komplexen Problems erfordert einen ausgewogenen Ansatz, der sowohl rechtliche Rahmenbedingungen als auch humanitäre Prinzipien berücksichtigt. Die anhaltende Debatte in Bern beleuchtet eine kritische Herausforderung, der sich viele Städte weltweit gegenübersehen: wie alle schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen unterstützt werden können, während gleichzeitig nationale Gesetze eingehalten werden.




