Die Obdachlosenheime in Bern sind stark überbelegt, wobei neue Daten zeigen, dass ein Grossteil der Bewohner ausländische Staatsangehörige sind. Diese Situation hat eine Debatte und Kritik bezüglich der Ressourcenverteilung und rechtlichen Verantwortlichkeiten ausgelöst.
Wichtige Erkenntnisse
- Über zwei Drittel der Bewohner von Obdachlosenheimen in Bern stammen aus EU- oder Drittstaaten.
- Der Kanton Bern verlangt nun staatlich finanzierte Notunterkünfte nur noch für Personen mit legalem Wohnsitz.
- Das Stadtparlament wird über einen Zusatzkredit von 400'000 Schweizer Franken für Obdachlosenheime abstimmen.
- Politische Führungskräfte sind uneinig darüber, ob ausländische Staatsangehörige ohne legalen Status repatriiert werden sollen.
Überbelegung und Belegungsdaten
Die Berner Obdachlosenheime kämpfen mit Kapazitätsproblemen. Das Passantenheim Bern, eine Einrichtung mit 60 Betten, war im gesamten Jahr 2024 konstant überbelegt. Dieser Trend verdeutlicht eine wachsende Herausforderung für die sozialen Dienste der Stadt.
Interne Belegungsstatistiken der Stadt Bern zeigen eine klare demografische Verschiebung. Nur 29,5 Prozent der obdachlosen Personen, die in diesen Heimen untergebracht sind, sind Schweizer Staatsangehörige. Die verbleibende Mehrheit stammt ausserhalb der Schweiz.
Wussten Sie schon?
Bern betreibt fünf Obdachlosenheime mit insgesamt 127 Betten. Der Kanton beteiligt sich über Leistungsvereinbarungen an den Kosten der meisten dieser Einrichtungen.
Ein signifikanter Anteil, 35 Prozent, sind Bürger aus EU-Ländern. Weitere 35,5 Prozent stammen aus Drittstaaten, also Ländern ausserhalb der Europäischen Union oder der EFTA. Diese Aufschlüsselung bedeutet, dass über zwei Drittel der Heimbewohner ausländische Staatsangehörige sind.
Neue Heimdaten zeigen ähnliche Trends
Ein kürzlich eröffnetes Heim für Finta-Personen (Frauen und nicht-binäre Personen) zeigt ebenfalls ein ähnliches Belegungsmuster. Von Juni bis September wurden die Dienste von verschiedenen Gruppen genutzt.
- Zwei Asylsuchende nutzten die Einrichtung.
- Sieben Personen besassen keine gültige Aufenthaltsbewilligung.
- Sechzehn Personen hatten einen unbekannten Aufenthaltsstatus.
Diese Daten aus einem spezialisierten Heim untermauern die Argumentation, dass ausländische Staatsangehörige stark auf die Notunterkünfte in Bern angewiesen sind.
Hintergrund zur Berner Politikänderung
Der Kanton Bern hat kürzlich angeordnet, dass staatlich finanzierte Notunterkünfte nur noch Personen mit legalem Wohnsitz zugewiesen werden sollen. Diese Entscheidung erfolgt angesichts steigender Obdachlosenzahlen und zielt darauf ab, diejenigen mit einem legalen Aufenthaltsrecht zu priorisieren.
Politische Debatte über Verantwortung und Rückführung
Die Belegungsstatistiken haben in Bern eine politische Debatte entfacht. Stadträtin Corina Liebi von der Grünliberalen Partei argumentiert, dass das Kapazitätsproblem selbstverschuldet sei. Sie ist der Meinung, dass bestimmte Gruppen diese Heime nicht nutzen sollten.
„Wenn wir Personengruppen in den Notunterkünften haben, die dort eigentlich nicht hingehören – für EU- oder EFTA-Bürger wären meiner Ansicht nach ihre Botschaften für deren Unterbringung zuständig – dann haben wir ein Problem“, erklärte Liebi. „Es hilft nichts, wenn die Stadt immer mehr Geld in die Lösung des Problems steckt.“
Alexander Ott, Leiter der Fremdenpolizei, bestätigte, dass die Rückführung von EU-Bürgern in ihre Heimatländer eine bestehende Möglichkeit ist. Er wies darauf hin, dass dieses Thema regelmässig in verschiedenen Sitzungen mit den Sozialdiensten der Stadt Bern besprochen wird.
Ott bemerkte jedoch, dass die Fremdenpolizei bisher keine Anfragen für solche Rückführungen von der Sozialabteilung erhalten hat.
Humanitäre Hilfe versus gesetzlicher Auftrag
Claudia Hänzi, Leiterin des Sozialamtes Bern, betonte den humanitären Aspekt ihrer Arbeit. Sie betrachtet die Bereitstellung von Notunterkünften als grundlegendes Menschenrecht.
„Unsere Partnerorganisationen und wir bieten Schutz und Obdach in individuellen Notlagen. Das ist ein Menschenrecht, und der Inhalt von Menschenrechten kann nicht politisch verhandelt werden. Das ist höherrangiges Recht“, erklärte Hänzi. Sie fügte hinzu, dass die Sozialabteilung keinen Auftrag für fremdenpolizeiliche Aufgaben habe.
Stadträtin Liebi widersprach dieser Haltung. Sie argumentierte, dass die Stadt Bern Bundesgesetze durchsetzen müsse, unabhängig von politischen Präferenzen. „Es ist nicht akzeptabel, dies aus politischen Gründen nicht zu tun“, sagte sie.
Bevorstehende Parlamentsabstimmung und zukünftige Massnahmen
Das Berner Stadtparlament wird diesen Donnerstagabend über einen Zusatzkredit von rund 400'000 Schweizer Franken für die Obdachlosenheime abstimmen. Diese Finanzierung ist entscheidend für die Aufrechterhaltung des aktuellen Betriebs.
Zusätzlich wird ein Antrag debattiert, der die Stadt dazu verpflichten würde, detailliertere Daten darüber zu sammeln, wer in ihren Notunterkünften übernachtet. Dies soll ein klareres Bild der Demografie und Bedürfnisse liefern.
Innerhalb der rot-grünen Mehrheit im Parlament bestehen Zweifel, ob eine präzisere Datenerhebung tatsächlich zu Rückführungen von EU- oder EFTA-Bürgern führen würde.
Winterkrise
Im letzten Winter waren in Bern jede Nacht bis zu 60 Obdachlose gezwungen, auf der Strasse zu schlafen, da die Heime überfüllt waren. Diese Situation unterstreicht die Dringlichkeit, nachhaltige Lösungen zu finden.
SP-Stadträtin Barbara Keller hob die komplexen Realitäten hervor, mit denen viele Menschen konfrontiert sind. „In der Praxis ist es etwas schwieriger“, erklärte Keller. „Die Menschen kommen aus Kriegsgebieten, viele sind psychisch und physisch am Limit und befinden sich in einer Notsituation.“
SVP-Stadtrat Alexander Feuz vertrat eine gegensätzliche Ansicht. „Wenn man sich die Zahlen ansieht, sind die Leute wochenlang hier, obwohl sie sich rechtlich nicht aufhalten dürfen“, kommentierte Feuz. Die unterschiedlichen politischen Positionen bedeuten, dass eine klare Lösung für das Kapazitätsproblem weiterhin schwer fassbar bleibt.




