In einem Kommandozentrum in Bern steuert die Schweizerische Bundesbahnen (SBB) alle Störungen ihres nationalen Netzes, von kleineren technischen Fehlern bis hin zu grossen Wetterereignissen. Dieses zentrale Drehkreuz, bekannt als Eisenbahnverkehrsmanagement, stützt sich auf über 1.000 vordefinierte Notfallpläne und stellt in seltenen Fällen eine spezialisierte Taskforce zusammen, um grosse Krisen zu bewältigen.
Wichtige Erkenntnisse
- Das zentrale Kommando der SBB zur Bewältigung aller Störungen im Bahnverkehr befindet sich in Bern.
- Eine spezialisierte Notfall-Taskforce wird drei bis fünf Mal pro Jahr bei grösseren Vorfällen aktiviert.
- Die Organisation verfügt über mehr als 1.000 detaillierte Notfallpläne für verschiedene Szenarien.
- Obwohl künstliche Intelligenz integriert wird, betont die SBB, dass erfahrenes menschliches Personal für die Entscheidungsfindung unerlässlich bleibt.
Das Nervenzentrum der Schweizer Bahnen
Alle betrieblichen Informationen für das Schweizer Bahnnetz laufen in der Zentrale des Eisenbahnverkehrsmanagements in Bern zusammen. Diese Einrichtung dient als zentrales Nervensystem der SBB und überwacht Tausende von Zugbewegungen im ganzen Land in Echtzeit.
„Alle Fäden laufen hier zusammen“, erklärte Reto Rennhard, Leiter des Schweizer Eisenbahnverkehrsmanagements. Das Zentrum ist so konzipiert, dass es einen umfassenden Überblick über das gesamte Netz bietet, sodass die Mitarbeiter Probleme erkennen und darauf reagieren können, sobald sie auftreten.
Nicole Rodenhäuser, Leiterin Bahnverkehr, arbeitet täglich mit einer komplexen Anordnung von acht Überwachungsbildschirmen. Trotz der Informationsdichte stellt sie fest, dass Erfahrung eine schnelle Einschätzung ermöglicht. „Auch wenn es kompliziert aussieht, werfe ich einen Blick darauf und sehe sofort, ob es gut läuft oder nicht“, sagte sie.
Schneller Informationsfluss
Ein primäres Ziel des Kommandozentrums ist es, die Fahrgäste schnell zu informieren. Laut SBB ist es das Ziel, Reisenden Verspätungen innerhalb von drei bis vier Minuten nach einem Vorfall mitzuteilen und innerhalb von 15 Minuten eine erste Prognose für die Wiederherstellung des Betriebs zu geben.
Umgang mit täglichen Störungen
Störungen, sei es durch Unwetter oder technische Defekte, sind ein regelmässiger Bestandteil des Eisenbahnbetriebs. Die SBB hat eine umfangreiche Bibliothek von über 1.000 Notfallkonzepten entwickelt, um die Reaktion auf spezifische Situationen zu steuern.
Rennhard gab ein Beispiel, wie diese Pläne in der Praxis funktionieren, und verwies auf ein früheres Ereignis, bei dem extreme Regenfälle die Strecke zwischen Chiasso und Mailand störten. Der entsprechende Notfallplan schrieb die notwendigen Massnahmen vor, einschliesslich der Umleitung des Verkehrs oder der Organisation alternativer Transportmittel.
„In diesem Fall war kein Ersatzdienst möglich, daher wurde den Kunden geraten, über Domodossola zu reisen“, erklärte Rennhard. Dies zeigt, wie vorab festgelegte Protokolle eine schnelle, strukturierte Entscheidungsfindung während einer aktiven Störung ermöglichen.
Prognosen und Szenarioplanung
Neben der sofortigen Reaktion ist das Team in Bern für die Erstellung von Prognosen verantwortlich, um die Entwicklung einer Situation zu antizipieren. Dies beinhaltet die Modellierung von Best-Case- und Worst-Case-Szenarien, um sich auf mehrere Ergebnisse vorzubereiten.
„Bei Hochwasser entspannt sich die Situation wieder, wenn es keine Murgänge gibt und das Wasser zurückgeht. Dann kann der Betrieb schrittweise wieder aufgenommen werden“, erklärte Rennhard und hob die vorausschauende Analyse hervor, die ihre Strategie prägt.
Wenn grosse Krisen eintreten: Die Notfall-Taskforce
Bei weitreichenden, komplexen Ereignissen wie einem landesweiten Stromausfall aktiviert die SBB eine spezielle Notfall-Taskforce, oder „Notfallstab“. Diese Massnahme ist für Situationen vorgesehen, in denen die Standard-Einsatzteams zusätzliche Ressourcen und spezialisiertes Fachwissen benötigen.
Häufigkeit der Aktivierung: Die Notfall-Taskforce ist eine spezialisierte Einheit, die nur bei den schwerwiegendsten Störungen einberufen wird, typischerweise nur drei bis fünf Mal pro Jahr.
Wenn dieses Team zusammengestellt wird, arbeitet es mit einer hochstrukturierten, fast militärischen Präzision, um die Krise zu bewältigen. Es bringt Schlüsselpersonal aus der gesamten Organisation zusammen, um eine koordinierte Reaktion zu gewährleisten.
„In solchen Fällen kommen rund 20 Spezialisten aus verschiedenen Bereichen, darunter Technik, Kommunikation und Güterverkehr, zusammen“, sagte Rennhard.
Dieser multidisziplinäre Ansatz stellt sicher, dass alle Aspekte der Krise, von technischen Reparaturen und Logistik bis hin zur Fahrgastkommunikation und Güterverwaltung, gleichzeitig und effizient bearbeitet werden.
Das menschliche Element im digitalen Zeitalter
Mit dem Fortschritt der Technologie erforscht die SBB den Einsatz künstlicher Intelligenz zur Verbesserung ihres Betriebsmanagements. Das Unternehmen vertritt jedoch die Ansicht, dass Technologie als unterstützendes Werkzeug dienen wird und nicht als Ersatz für menschliches Fachwissen.
Rennhard ist überzeugt, dass erfahrenes Personal auf absehbare Zeit zentral für den Prozess bleiben wird. „Es kann unterstützen, aber wir brauchen immer noch Menschen mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen“, bekräftigte er. Das nuancierte Urteilsvermögen und die Intuition, die über Jahre des Managements komplexer Bahnoperationen entwickelt wurden, gelten als unersetzlich.
Die SBB plant, neue Tools einzuführen, sobald sie verfügbar sind, und erkennt an, dass der technologische Fortschritt sich weiterhin schnell entwickeln wird. „Der Fortschritt wird sich rasant entwickeln, auch in Bereichen, an die man heute noch gar nicht denkt“, fügte Rennhard hinzu.
Vorbereitung auf saisonale Herausforderungen
Der Winter bleibt eine der grössten betrieblichen Herausforderungen für die Bahn. Weit verbreiteter Schneefall und eisige Temperaturen können die kritische Infrastruktur, wie Weichen, beeinträchtigen und die Ressourcen im gesamten Netz belasten.
„Wenn in der ganzen Schweiz Schnee fällt, wie im letzten November, geht es primär darum, die Kapazität aufrechtzuerhalten“, bemerkte Rennhard. Dies erfordert einen massiven Koordinationsaufwand, um Tausende von Weichen zu räumen und zu heizen sowie Personal und Ausrüstung strategisch zuzuweisen.
Trotz der Schwierigkeiten ist die oberste Priorität bei starkem Winterwetter klar. „Wichtig ist, dass die Menschen trotzdem nach Hause kommen können“, schloss Rennhard und betonte das Kernengagement des Unternehmens gegenüber seinen Fahrgästen auch unter den anspruchsvollsten Bedingungen.




