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Universität Bern gründet Institut für italienische Rechtssprache

Die Universität Bern hat das erste akademische Institut für italienische Rechtssprache eröffnet, unter der Leitung von Professorin Iole Fargnoli, um Italienisch in rechtlichen Kontexten zu fördern und

Julian Fischer
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Julian Fischer

Julian Fischer is a legal affairs correspondent specializing in Swiss jurisprudence and public administration. He covers court decisions, legislative developments, and social policy impacts across various cantons. (DE)

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Universität Bern gründet Institut für italienische Rechtssprache

Die Universität Bern hat ein neues Institut ins Leben gerufen, das sich der italienischen Rechtssprache widmet. Dieses Zentrum zielt darauf ab, die Position des Italienischen in rechtlichen Kontexten innerhalb der Schweiz und Europas zu stärken. Professorin Iole Fargnoli, Gründerin und Direktorin, hebt Berns einzigartige Eignung für diese Initiative hervor und betont die Rolle der Stadt als Bundeshauptstadt und Zentrum für praktische rechtslinguistische Arbeit.

Wichtige Erkenntnisse

  • Die Universität Bern gründet das erste akademische Zentrum für italienische Rechtssprache.
  • Das Institut soll dem Rückgang des Italienischen in Rechtsbereichen im Vergleich zum Englischen entgegenwirken.
  • Berns Status als Bundesstadt macht es zu einem idealen Standort für diese Initiative.
  • Das Zentrum wird die schweizerische italienische Rechtssprache, ihre Geschichte und didaktische Anwendungen erforschen.
  • Mehrsprachigkeit ist entscheidend für das schweizerische Rechtsverständnis und die Rechtspraxis.

Neues Institut schliesst sprachliche Lücken im Schweizer Recht

Das Istituto di italiano giuridico (Institut für italienische Rechtssprache) an der Universität Bern ist ein wegweisendes akademisches Zentrum. Es konzentriert sich auf die Förderung und Erforschung der italienischen Rechtssprache. Diese Initiative stellt die erste universitäre Einrichtung dieser Art dar, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in ganz Europa.

Professorin Iole Fargnoli, Dozentin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Bern, war die treibende Kraft hinter der Gründung des Instituts. Sie beobachtete eine abnehmende Verwendung des Italienischen in juristischen Kontexten. Dieser Trend tritt auf, obwohl Italienisch in der Schweiz den gleichen verfassungsrechtlichen Status wie Deutsch und Französisch hat. Fargnoli stellte auch Herausforderungen fest, denen italienischsprachige Studierende an der Universität Bern begegnen. Diese Studierenden haben oft Schwierigkeiten mit deutschen Rechtsbegriffen und Konzepten, für die es keine direkten Übersetzungen gibt, insbesondere zu Beginn ihres Studiums.

„Ohne Sprache gibt es kein Recht. Deshalb ist es so wichtig, die Rechtssprache präzise als Grundlage zu erforschen.“ – Iole Fargnoli

Wichtiger Fakt

Italienisch ist neben Deutsch und Französisch eine der drei Amtssprachen der Schweiz. Diese verfassungsrechtliche Gleichstellung bedeutet, dass Rechtstexte in allen drei Sprachen verfügbar sein müssen.

Die Bedeutung der Rechtssprachenforschung

Auf die Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Instituts erklärte Professorin Fargnoli die grundlegende Verbindung zwischen Recht und Sprache. Sie stellte fest, dass Recht für eine funktionierende Gesellschaft unerlässlich ist, da es das Zusammenleben organisiert. Sprache wiederum ist das primäre Werkzeug des Rechts.

Juristen sind auf Worte angewiesen, um ihre Arbeit zu verrichten. Daher ist das Verständnis dieser Worte entscheidend. Die Rechtssprache unterscheidet sich von der Alltagssprache. Sie erscheint Nicht-Juristen oft trocken oder unzugänglich. Fargnoli betonte jedoch, dass es sich um eine Fachsprache mit eigenem Stil und notwendigen Eigenschaften handelt.

Während auch andere Disziplinen, wie die Medizin, eine Fachsprache verwenden, ist die Verbindung zwischen Sprache und Recht viel stärker. Fargnoli bekräftigte, dass Recht ohne Sprache nicht existieren kann. Dies macht die präzise Untersuchung der Rechtssprache grundlegend für das Verständnis des Rechts selbst.

Bern: Ein idealer Standort für das Institut

Die Wahl Berns als Standort des Instituts mag manchen ungewöhnlich erscheinen. Bern hat eine starke Verbindung zum Französischen, und Italienisch könnte geografisch weit entfernt wirken. Einige mögen die Università della Svizzera italiana (USI) oder sogar eine italienische Universität als offensichtlichere Wahl vorschlagen.

Professorin Fargnoli ist jedoch fest davon überzeugt, dass Bern der ideale Ort ist. Als Bundeshauptstadt ist Bern einzigartig geeignet für ein solches Institut. Der Kanton Bern selbst verkörpert die Mehrsprachigkeit, die für die schweizerische Identität und das Rechtsverständnis von grundlegender Bedeutung ist. Über die symbolische Bedeutung hinaus findet in Bern täglich wichtige praktische rechtslinguistische Arbeit statt.

„In Bern wird viel konkrete rechtslinguistische Arbeit geleistet, rund um das Bundeshaus, im exekutiven und legislativen Alltag.“ – Iole Fargnoli

Hintergrundinformationen

Das schweizerische Rechtssystem arbeitet in einem mehrsprachigen Umfeld. Gesetze, Gerichtsentscheide und administrative Texte werden in Deutsch, Französisch und Italienisch erstellt. Dies erfordert ein tiefes Verständnis sprachlicher Nuancen und eine genaue Interpretation.

Mehrsprachigkeit im Schweizer Recht meistern

Die Mehrsprachigkeit des Schweizer Rechts ist komplex. Obwohl Gesetze und Gerichtsurteile in alle Amtssprachen übersetzt werden, ist eine Übersetzung niemals eine exakte Entsprechung. Sie beinhaltet immer eine Interpretation. Dieses Prinzip gilt nicht nur für literarische Werke, sondern auch für Rechtstexte.

In der Schweiz existiert ein Gesetz in drei offiziellen Versionen, die jeweils gleichwertig sind. Gerichtsurteile werden je nach Kanton und Gericht ebenfalls in verschiedenen Sprachen verfasst. Zum Beispiel veröffentlicht das Bundesstrafgericht in Bellinzona seine Urteile auf Italienisch.

Idealerweise sollten Richter und Juristen alle drei Amtssprachen verstehen, um die Details eines Urteils in seiner Originalform zu erfassen. Sich ausschliesslich auf Übersetzungen zu verlassen, kann problematisch sein, insbesondere bei komplexen Rechtsfragen. Die praktische Anwendung hängt jedoch oft von den Sprachkenntnissen der einzelnen Richter und Anwälte ab.

Institutsprojekte und die anhaltende Relevanz des römischen Rechts

Neben der Sensibilisierung für sprachliche Aspekte des Rechts hat das Institut mehrere spezifische Projekte. Sein primäres Ziel ist es, funktionale Schnittstellen zwischen Rechts- und Sprachwissenschaften aufzubauen. Es soll ein Netzwerk mit nationalen und internationalen Institutionen fördern. Das Institut wird auch die einzigartigen Merkmale der schweizerischen italienischen Rechtssprache und ihre historische Entwicklung untersuchen.

Professorin Fargnoli ist Expertin für römisches Recht, das die Grundlage des Privatrechts bildet. Sie betont, dass römisches Recht nicht nur von historischem Interesse ist. Es beeinflusst das moderne Privatrecht weiterhin stark, was es zu einem wichtigen Bereich der fortlaufenden Forschung macht. Darüber hinaus erfordert das Studium aktueller Forschung zum römischen Recht oft Italienischkenntnisse, da viele Fachpublikationen in dieser Sprache verfasst sind.

  • Schnittstellen zwischen Rechts- und Sprachwissenschaften schaffen.
  • Ein Netzwerk mit nationalen und internationalen Institutionen pflegen.
  • Die einzigartigen Merkmale der schweizerischen italienischen Rechtssprache untersuchen.
  • Die historische Entwicklung der italienischen Rechtssprache erforschen.

Entwicklung der Rechtssprache und zukünftige Herausforderungen

Die Rechtssprache ist, wie das Recht selbst, dynamisch. Sie entwickelt sich im Laufe der Zeit, obwohl einige Begriffe, wie „Treu und Glauben“, bestehen bleiben. Der Einfluss der schweizerischen Mehrsprachigkeit auf die Entwicklung der Rechtssprache ist ebenfalls ein faszinierendes Forschungsgebiet. Im Vergleich zu Nachbarländern zeigt die schweizerische Rechtssprache eine Tendenz zur Einfachheit, möglicherweise um Juristen entgegenzukommen, die in verschiedenen Sprachen arbeiten.

Ein entscheidender Aspekt der Mission des Instituts ist didaktischer Natur. Es zielt darauf ab, die Lücke in der juristischen Ausbildung an deutschsprachigen Universitäten zu schliessen, wo italienischsprachige Vorlesungen oft fehlen. Solche Kurse würden die Ausbildung zukünftiger Juristen verbessern, insbesondere derjenigen, die in italienischsprachigen Regionen wie dem Tessin arbeiten möchten. Das Angebot dieser Programme macht Bern auch für italienischsprachige Studierende attraktiver.

„Alles nur auf Englisch zu machen, wäre das falsche Signal.“ – Iole Fargnoli

Mit Blick auf die Zukunft stellt der Aufstieg der künstlichen Intelligenz (KI) in der Übersetzung neue Herausforderungen dar. Während KI-Tools für Studierende üblich sind und zunehmend in die Forschung integriert werden, bleibt Fargnoli vorsichtig hinsichtlich ihrer spezifischen Anwendung in Rechtsangelegenheiten. Maschinenübersetzungen erfordern eine Überprüfung durch Experten. Sie sieht das Institut jedoch als „Labor“, in dem die Auseinandersetzung mit KI wichtig und spannend sein wird.

Fargnoli betonte, dass die Rechtsfindung mit ihrer Abhängigkeit von der Erkennung und Bearbeitung sprachlicher Nuancen ein menschlicher Bereich bleibt. Sie erwartet, dass dies im rechtlichen Kontext auch weiterhin der Fall sein wird.

Über Iole Fargnoli

Iole Fargnoli ist ordentliche Professorin für Römisches Recht an der Universität Bern und der Università degli Studi di Milano. Ihre Forschung konzentriert sich auf das römische Recht als Grundlage der europäischen und aussereuropäischen Rechtskultur, die Rechtsgeschichte in der Spätantike und die Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Sie ist ausserdem Adjunct Professor an der Soochow University und Honorarprofessorin an drei chinesischen Universitäten: Shaanxi Normal University, Yuncheng University und China University of Political Science and Law in Shanghai.

Über das Institut für italienische Rechtssprache

Das Institut für italienische Rechtssprache (Istituto di italiano giuridico) an der Universität Bern ist das erste akademische Zentrum, das sich der Wertschätzung, Förderung und Erforschung der italienischen Rechtssprache widmet. Angesichts des Status des Italienischen als offizielle schweizerische Amtssprache werden normative Texte, prozessuale Anwendungstexte und administrative Texte auch auf Italienisch verfasst. Das Institut, das sich in Bern, dem Sitz der Schweizerischen Bundesversammlung und des Bundesrates befindet, fördert den direkten Dialog und die enge Zusammenarbeit mit der Sektion Gesetzgebung und Sprache der Bundeskanzlei und dem Staatsrat des Kantons Tessin.