Der Plan der Berner Kantonsregierung, die Software 'Epic' als universelle digitale Gesundheitsplattform im gesamten Gesundheitssystem zu implementieren, stösst im Grossen Rat auf erheblichen Widerstand. Während die Insel Gruppe die Software bereits nutzt und von wachsender Effizienz berichtet, äussern Kritiker ernsthafte Bedenken hinsichtlich potenzieller Kosten, Datensicherheit und Anbieterabhängigkeit. Dies führt zu Forderungen nach mehr Transparenz und einer Neubewertung der Softwarewahl.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Berner Regierung schlägt die Nutzung der 'Epic'-Software für eine kantonale digitale Gesundheitsplattform vor.
 - Die Insel Gruppe nutzt Epic bereits und verweist auf eine erfolgreiche Implementierung.
 - Mitglieder des Grossen Rates äussern starke Zweifel an Kosten und Datensicherheit.
 - Kritiker warnen davor, das kantonale Gesundheitssystem von einem einzigen Softwareanbieter abhängig zu machen.
 - Die Gesetzgeber fordern eine detaillierte Kostenaufschlüsselung und die Berücksichtigung alternativer Lösungen.
 
Berns Vision für digitale Gesundheit und die Rolle von Epic
Der Kanton Bern strebt die Einrichtung einer digitalen Gesundheitsplattform an. Diese Plattform soll den Austausch von Patientendaten zwischen Spitälern optimieren. Sie soll auch doppelte Anstrengungen in der Gesundheitsverwaltung verhindern. Die Kantonsregierung ist der Ansicht, dass diese Modernisierung für ein effizientes Gesundheitssystem unerlässlich ist.
Gemäss dem Vorschlag der Regierung würde dieses neue System auf der Software 'Epic' basieren. Die Insel Gruppe, ein grosses Berner Spitalnetzwerk, hat Epic im März 2024 in Betrieb genommen. Die Insel Gruppe berichtet von positiven Ergebnissen der Implementierung und verzeichnet eine steigende Effizienz.
Fakt: Epic Software
Epic Systems Corporation ist ein führender Anbieter von Gesundheitsinformationstechnologie. Ihr elektronisches Patientenaktensystem (EHR) ist in den Vereinigten Staaten weit verbreitet und zunehmend auch in anderen Ländern. Die Software ist bekannt für ihre umfassenden Funktionen und hohen Implementierungskosten.
Wachsende Bedenken im Grossen Rat
Trotz der positiven Einschätzung der Regierung haben Mitglieder des Grossen Rates erhebliche Vorbehalte geäussert. Sie halten die Darstellung der Vorteile von Epic durch die Regierung für übermässig optimistisch. Zwei parlamentarische Vorstösse wurden eingereicht, die diese Bedenken hervorheben.
Ein Vorstoss fordert insbesondere eine detaillierte Aufschlüsselung der Kosten, die mit Epic bei der Insel Gruppe verbunden sind. Dies umfasst nicht nur direkte Softwarekäufe, sondern auch versteckte Ausgaben. Diese versteckten Kosten könnten Schulungen, Personal für IT-Aufgaben und Servernutzung umfassen.
Der zweite Vorstoss stellt die vorgegebene Wahl von Epic durch die Regierung in Frage. Er fordert, dass der Softwareauswahlprozess offen bleibt. Ursprünglich wurde das Projekt für die digitale Gesundheitsplattform sogar 'Epic as a Service' genannt, was darauf hindeutet, dass die Entscheidung bereits getroffen war.
„Es gab schon zu viele Finanzdesaster“, warnte GLP-Grossrat Casimir von Arx. Er ist der Erstunterzeichner beider parlamentarischer Vorstösse.
Unklare finanzielle Auswirkungen und versteckte Kosten
Casimir von Arx, Vertreter der Grünliberalen Partei, äusserte seine Bedenken in einem Interview mit dem BärnerBär. Er betonte die mangelnde Klarheit bezüglich der finanziellen Auswirkungen von Epic auf den Kanton und sein Gesundheitssystem.
Von Arx erklärte, dass die potenziellen Folgekosten für den Kanton und den Berner Gesundheitssektor derzeit unbekannt seien. Er betonte die Bedeutung zuverlässiger Zahlen von der Regierung, bevor eine so bedeutende Investition getätigt werde. „Wir wollen die Katze nicht im Sack kaufen“, sagte er und verwies auf frühere Finanzprobleme bei kantonalen Softwareprojekten.
Direkte Kosten, wie Softwarekauf und Lizenzierung, sind oft leichter zu quantifizieren. Indirekte Kosten sind jedoch schwieriger zu bewerten. Dazu gehören interne Schulungen für medizinisches Personal, die Anpassung der Software an lokale Bedürfnisse und Beratungsgebühren. Solche Posten können die Gesamtausgaben erheblich erhöhen.
Kontext: Herausforderungen bei früheren Softwareprojekten
Der Kanton Bern hat bei früheren grossen IT-Projekten finanzielle Schwierigkeiten erlebt. Diese früheren Probleme tragen zur aktuellen Skepsis einiger Politiker gegenüber neuen Softwareimplementierungen und den damit verbundenen Kosten bei.
Geschätzte Kosten und Vergleiche
Die geschätzten Kosten für die Implementierung von Epic bei der Insel Gruppe, einschliesslich einer achtjährigen Lizenz und Wartung, belaufen sich auf rund 83 Millionen Schweizer Franken. Inklusive Mehrwertsteuer steigt dieser Betrag auf 90 Millionen Schweizer Franken. Es bleibt jedoch unklar, inwieweit indirekte Kosten in diesen Zahlen enthalten sind. Diese mangelnde Transparenz deutet darauf hin, dass die tatsächlichen Gesamtkosten erheblich höher sein könnten.
Von Arx hob hervor, dass 83 Millionen Schweizer Franken im Vergleich zu anderen etablierten Spitalinformationssystemen sehr hoch erscheinen. Dieser Vergleich deutet darauf hin, dass Epic eine teurere Option sein könnte als auf dem Markt verfügbare Alternativen.
Während der Einführung von Epic bei der Insel Gruppe wurde ein „Command Center“ mit 150 Spezialisten eingerichtet. Dieses Zentrum sollte alle Benutzeranfragen schnell bearbeiten, was den umfangreichen Support und die Schulungen verdeutlicht, die für die Einführung des Systems erforderlich sind.
Grundlegende Vorbehalte gegen Epic
Über finanzielle Bedenken hinaus äusserte von Arx grundlegende Probleme bezüglich der Epic-Software selbst. Ein Hauptanliegen ist die Datensicherheit, da Epic ein US-amerikanisches Produkt ist. Das US-Recht erlaubt amerikanischen Behörden unter bestimmten Bedingungen den Zugriff auf Daten, die von US-Softwareanbietern gespeichert werden. Dieser Zugriff kann unabhängig davon erfolgen, wo die Daten physisch gespeichert sind, was potenziell Patientendaten in Bern betreffen könnte.
Ein weiteres Anliegen betrifft die Benutzerfreundlichkeit der Software für medizinisches Fachpersonal. Epic wird oft als „klickintensiv“ beschrieben, was bedeutet, dass viele Interaktionen erforderlich sind, um Aufgaben zu erledigen. Dies kann für medizinisches Personal, das bereits lange Arbeitszeiten hat, ein erheblicher Zeitfresser sein.
Des Weiteren kritisierte von Arx die Idee der Regierung, dieselbe Software im gesamten Kanton zu verwenden. Dieser Ansatz würde das Berner Gesundheitssystem vollständig von einem einzigen Softwareanbieter abhängig machen. Ein späterer Wechsel zu einem anderen System wäre mit immensem Aufwand und Kosten verbunden. Eine solche Anbieterbindung kann den Wettbewerb einschränken und potenziell zukünftige Kosten in die Höhe treiben, die letztendlich über die Krankenkassenprämien bezahlt würden.
Alternativen und Datenstandards prüfen
Von Arx betonte, dass es Alternativen zu Epic gebe. Er argumentierte auch, dass es nicht notwendig sei, dass alle Spitäler und Gesundheitsdienstleister im Kanton dieselbe Software verwenden. Die Hauptanforderung sei lediglich, dass Patientendaten einfach ausgetauscht werden können.
Um dies zu erreichen, genüge die Einigung auf einen gemeinsamen Datenstandard. Wenn ein Datenstandard vorhanden ist, können Spitäler und Arztpraxen unterschiedliche Softwaresysteme verwenden und dennoch einen nahtlosen Datenaustausch gewährleisten. Dieser Ansatz fördert den Wettbewerb unter Softwareanbietern und vermeidet die Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter.
Von Arx verwies auf etablierte Alternativen, darunter Schweizer Produkte. Er erwähnte KISIM, ein Zürcher Spitalinformationssystem. Gemäss einer wissenschaftlichen Studie mit fast 2.000 Schweizer Ärzten schnitt KISIM besser ab als Epic. Er erklärte, dass er diesen praktischen Erfahrungen mehr vertraue als den Beschreibungen der Berner Regierung, die sich seiner Meinung nach wie eine Werbung für Epic lasen.
Breite Unterstützung für die Vorstösse
Die parlamentarischen Vorstösse zu Epic haben parteiübergreifende Unterstützung erhalten. Vertreter aller Fraktionen haben sie mitunterzeichnet. Diese breite Unterstützung deutet darauf hin, dass die Bedenken bezüglich Epic im gesamten politischen Spektrum, mit Ausnahme der Kantonsregierung, weit verbreitet sind.
Von Arx glaubt, dass diese Vorstösse gute Erfolgsaussichten haben. Das Hauptziel der Vorstösse ist es, mehr Informationen über den Einsatz von Epic im Inselspital und im Berner Gesundheitswesen zu sammeln. Sie sollen auch verhindern, dass die Regierung bezüglich der Softwarewahl Fakten schafft.
Eine endgültige Entscheidung in dieser Angelegenheit wird voraussichtlich im nächsten Herbst im Grossen Rat erwartet. Von Arx betonte, dass die Vorstösse nicht dem übergeordneten Ziel der Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Anbietern entgegenstehen. Er erklärte, dass dies gute Ideen seien. Er betonte jedoch, dass der Weg zur Erreichung dieser Ziele sorgfältig gewählt werden müsse und nicht durch überstürztes Handeln bei der erstbesten Option. Die Auswirkungen der Entscheidung seien zu bedeutend, um sie auf die leichte Schulter zu nehmen.




