Die Berner Pilot-Notunterkunft für Finta-Personen und Frauen, die im Juni 2025 eröffnet wurde, ist seit Juli voll ausgelastet. Diese hohe Nachfrage unterstreicht den kritischen Bedarf an spezialisierten Wohnlösungen für eine vulnerable Bevölkerungsgruppe, die von allgemeinen Obdachlosendiensten oft übersehen wird. Die Einrichtung bietet einzigartige Merkmale, darunter private Zimmer und die Akzeptanz von Haustieren, um spezifische Herausforderungen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner anzugehen.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Berner Finta- und Frauenunterkunft ist durchgehend voll, was auf eine hohe Nachfrage hindeutet.
- Die Unterkunft bietet Einzelzimmer und erlaubt Haustiere, ein seltenes Angebot.
- Der aktuelle Standort ist provisorisch, der Betrieb endet im April 2026.
- Die Obdachlosigkeit in Bern nimmt zu und betrifft eine breitere Demografie.
- Finta-Personen und Frauen sind in gemischtgeschlechtlichen Unterkünften oft erhöhten Risiken ausgesetzt.
Spezialisierte Unterstützung für vulnerable Personen
Die Notschlafstelle im Berner Breitenrain-Quartier bietet 18 Betten. Sie wird im Auftrag der Stadt Bern von der Heilsarmee betrieben. Das Projekt begann als Pilot, um den Bedarf an einer solchen spezialisierten Einrichtung zu ermitteln. Die seit der Eröffnung gesammelten Daten zeigen deutlich, dass die Nachfrage das verfügbare Angebot erheblich übersteigt.
Claudia Hänzi, Leiterin des Sozialamtes der Stadt Bern, erklärte, dass die Unterkunft geschaffen wurde, weil bestehende allgemeine Dienste diese spezifische Gruppe nicht ausreichend erreichten. Viele Finta-Personen und Frauen meiden gemischtgeschlechtliche Unterkünfte aus Sicherheitsgründen. Studien zeigen, dass obdachlose Frauen deutlich häufiger psychische, physische und sexuelle Gewalt erfahren als Männer, oft schon vor ihrer Obdachlosigkeit.
Wichtige Statistik
Frauen machen je nach Studie 17% bis 25% der gesamten obdachlosen Bevölkerung aus.
Zunehmende Obdachlosigkeit in Bern
Die Stadt Bern stellt derzeit rund 90 allgemeine Notunterkunftsplätze zur Verfügung. Diese werden hauptsächlich von Männern genutzt. Frau Hänzi bemerkte, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Männer diese Einrichtungen meiden, weil sie nicht ausschliesslich für sie sind. Der allgemeine Trend der Obdachlosigkeit in Bern zeigt seit Ende 2021 einen kontinuierlichen Anstieg.
Im Winter 2024/25 waren durchschnittlich bis zu 60 Personen pro Nacht gezwungen, im Freien zu schlafen. Diese Zahl ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den rund 40 Personen im Vorjahr, so der Sozialdienst der Stadt, Pinto.
«Hier kann ich endlich in Ruhe baden, ohne Angst», erzählte Natascha, eine 47-jährige Bewohnerin, die seit einem Monat in der Berner Unterkunft lebt. «An den meisten anderen Orten teilt man sich ein Schlafsaal mit anderen. Es ist oft laut bis in die frühen Morgenstunden – man kann kaum schlafen.»
Einzigartige Merkmale und Erfahrungen der Bewohner
Im Gegensatz zu vielen anderen Notunterkünften bietet die Berner Einrichtung jedem Bewohner ein privates Zimmer. Die Bewohner können auch tagsüber in der Unterkunft bleiben. Bettina Stocker, die Leiterin der Unterkunft, erklärte: «Das gibt vielen die Ruhe, die sie dringend brauchen.» Sie fügte hinzu, dass die Bewohner aus verschiedenen Gründen obdachlos werden, darunter Beziehungsabbrüche, Arbeitsplatzverlust oder, wie im Fall von Natascha, nach einem Gefängnisaufenthalt.
Natascha fand sich nach Verbüssung einer dreijährigen Haftstrafe ohne Wohnung wieder. Ihr wurde zunächst ein Platz in einer gemischtgeschlechtlichen Unterkunft versprochen, das Angebot wurde jedoch zurückgezogen. Sie verbrachte Zeit auf der Strasse und in anderen Unterkünften, bevor sie einen Platz in der Finta- und Frauenunterkunft fand.
Finta verstehen
Das Akronym Finta steht für Frauen, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen. Dieser Begriff umfasst alle Individuen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität Diskriminierung erfahren.
Den Bedarf an Stabilität decken
Die Berner Unterkunft erlaubt den Bewohnern einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten. In dieser Zeit arbeitet das Personal mit anderen sozialen Institutionen zusammen, um den Einzelnen bei der Suche nach einer dauerhaften Wohnlösung zu helfen. Aufgrund der hohen Nachfrage können Plätze nicht unbegrenzt leer bleiben.
«Wenn jemand länger als 48 Stunden keinen Kontakt aufnimmt, geben wir den Platz frei», stellte Bettina Stocker klar. «Natürlich machen wir Ausnahmen; wenn jemand zum Beispiel im Krankenhaus ist, behält er seinen Platz. Niemand sollte seinen Platz verlieren, weil er medizinische Hilfe benötigt.»
Haustiere bieten Trost und Stabilität
Ein besonderes Merkmal der Berner Unterkunft ist die Akzeptanz von Haustieren, ein seltenes Angebot in betreuten Wohneinrichtungen. «Viele Menschen haben eine starke Bindung zu ihrem Hund und würden lieber auf der Strasse leben, als ihn aufzugeben», erklärte Frau Stocker. Vier Mitarbeiterhunde besuchen die Einrichtung ebenfalls regelmässig, darunter ein Labrador namens Malandro, der alle Besucher begrüsst. Dies schafft eine einladende Atmosphäre für die Bewohner.
Natascha äusserte ihre Wertschätzung für die Anwesenheit von Tieren. «Ich liebe Hunde. Sie lassen den Ort wie ein Zuhause wirken», sagte sie. Die Möglichkeit, Haustiere zu halten, ist entscheidend für Personen, die sonst Unterkünfte meiden würden, was den massgeschneiderten Ansatz dieser Einrichtung weiter unterstreicht.
Haustierfreundliche Richtlinien
Die Raumaufteilung des aktuellen Unterkunftsstandorts erlaubt Haustiere. Die Zukunft dieser Politik an einem neuen Standort nach April 2026 bleibt jedoch ungewiss. Derzeit verfügt Bern über keine traditionelle Notunterkunft, die Männer mit Hunden aufnimmt, obwohl in Einzelfällen Anstrengungen unternommen werden, ihnen mit Schutzausrüstung oder Zugang zu Gemeinschaftsräumen zu helfen.
Zukunft des Pilotprojekts
Das aktuelle Gebäude, in dem die Unterkunft untergebracht ist, steht nur bis Ende April 2026 zur Verfügung. Die Stadt Bern sucht aktiv nach einer langfristigen Lösung. Der Erfolg und die durchgehend volle Belegung des Pilotprojekts unterstreichen den dringenden Bedarf an fortgesetzter spezialisierter Unterstützung für Finta-Personen und Frauen, die Obdachlosigkeit erleben.
Frau Hänzi bemerkte auch, dass die Finta-Unterkunft Personen Zuflucht bietet, die schwierigen, abhängigen Beziehungen entfliehen. «Sie versuchen, mit dem neuen Angebot einen Neuanfang zu wagen», erklärte sie. «In solchen Fällen bringen einige ihre Haustiere mit, aber nicht viele.» Das Engagement der Stadt, einen neuen Standort zu finden, wird die weitere Verfügbarkeit dieser wichtigen Dienste bestimmen.




