Ein 41-jähriger Mann, der zuvor wegen Mordes an seiner Ehefrau in Kehrsatz, Kanton Bern, zu 20 Jahren Haft verurteilt worden war, erschien am Montag vor dem Berner Obergericht, um gegen seine Verurteilung Berufung einzulegen. Der Angeklagte, Lukas D., machte während der ersten Verhandlung des Berufungsverfahrens von seinem Schweigerecht Gebrauch.
Wichtige Erkenntnisse
- Lukas D. legt Berufung gegen eine 20-jährige Haftstrafe wegen Mordes an seiner 29-jährigen Ehefrau, Luiza D., im Dezember 2022 ein.
- Das erstinstanzliche Gericht befand ihn für schuldig, ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht und sie dann erwürgt zu haben.
- Der Angeklagte hat stets beteuert, dass seine Ehefrau, die psychische Probleme hatte, durch Suizid starb.
- Während der Berufungsverhandlung am Montag weigerte sich der Angeklagte, Fragen des Gerichts zu beantworten.
- Das Berner Obergericht wird seine Entscheidung voraussichtlich am Mittwoch bekannt geben.
Berufungsverhandlung beginnt am Berner Obergericht
Der Fall um den Tod von Luiza D. ist in die Berufungsphase eingetreten. Am Montag stellte sich ihr Ehemann, Lukas D., vor dem Berner Obergericht, um die Mordverurteilung anzufechten, die das Regionalgericht Bern-Mittelland im August 2023 ausgesprochen hatte.
Während der Verhandlung entschied sich der Angeklagte, nicht zu sprechen. Als er vom Gericht angesprochen wurde, berief er sich formell auf sein Schweigerecht. Berichten zufolge blieb er während der Verhandlung höflich, aber bestimmt in seiner Weigerung, Fragen der Richter zu beantworten, und lieferte dem Gericht somit keine neuen Zeugenaussagen zur Prüfung.
Da der Angeklagte keine Stellungnahme abgab, verlagerte sich die Aufmerksamkeit des Gerichts auf die rechtlichen Argumente. Die Verhandlung konzentriert sich nun auf die Schlussplädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger, die voraussichtlich den Rest der Sitzung in Anspruch nehmen werden.
Das Schweigerecht
Im Schweizer Rechtssystem hat eine beschuldigte Person das Recht, die Aussage oder die Beantwortung von Fragen zu verweigern. Dieses Recht schützt Personen vor Selbstbezichtigung. Das Gericht darf dieses Schweigen nicht als Schuldeingeständnis interpretieren, und die Beweislast verbleibt vollständig bei der Staatsanwaltschaft.
Hintergrund der ursprünglichen Verurteilung
Der ursprüngliche Prozess endete mit einem Schuldspruch gegen Lukas D., einen angehenden Rettungssanitäter. Das Gericht befand, dass er im Dezember 2022 seine 29-jährige Ehefrau in ihrer gemeinsamen Wohnung in Kehrsatz ermordet hatte.
Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass er seiner Frau zunächst Dormicum, ein starkes Beruhigungsmittel, verabreicht habe. Sobald sie bewusstlos war, habe er sie erwürgt. Das Regionalgericht Bern-Mittelland befand diese Abfolge der Ereignisse als zweifelsfrei erwiesen und verurteilte ihn wegen Mordes zu 20 Jahren Haft.
Während des gesamten ersten Prozesses bestritt Lukas D. jegliche Beteiligung am Tod seiner Frau. Seine Verteidigung baute auf der Behauptung auf, sie habe sich selbst das Leben genommen.
Widersprüchliche Erzählungen einer Tragödie
Der Kern des Rechtsstreits liegt in zwei grundlegend unterschiedlichen Erklärungen für den Tod von Luiza D. Eine Erzählung deutet auf einen kalkulierten Mord hin, während die andere einen tragischen Suizid beschreibt.
Das Argument der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft argumentierte in erster Instanz erfolgreich, dass die Beweise auf ein Tötungsdelikt hindeuteten. Zu den Schlüsselelementen ihres Falles gehörten:
- Das Vorhandensein von Dormicum: Toxikologische Berichte bestätigten wahrscheinlich das Beruhigungsmittel in ihrem System.
- Spuren von Strangulation: Forensische Beweise hätten darauf hingewiesen, dass die Todesursache Erstickung aufgrund von äusserem Druck auf den Hals war.
- Ungereimtheiten in der Geschichte des Angeklagten: Das Gericht könnte seine Darstellung der Ereignisse, die zu ihrem Tod führten, als unplausibel oder widersprüchlich empfunden haben.
Das untere Gericht akzeptierte schliesslich die Ansicht der Staatsanwaltschaft und kam zu dem Schluss, dass Lukas D. seine Frau vorsätzlich tötete, während sie durch das von ihm verabreichte Beruhigungsmittel handlungsunfähig war.
Die Position der Verteidigung
Die Verteidigung hat eine konsequente Gegen-Erzählung beibehalten. Sie behauptet, dass Luiza D. mit erheblichen psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Nach Angaben des Angeklagten führten diese Probleme dazu, dass sie sich selbst das Leben nahm.
„Seine psychisch angeschlagene Ehefrau nahm sich das Leben“, argumentierte das Anwaltsteam des Angeklagten während des ersten Prozesses, eine Position, die sie auch in der Berufung beibehalten.
Diese Behauptung deutet darauf hin, dass alle Beweise, wie das Vorhandensein eines Beruhigungsmittels, als Teil eines geplanten Suizids und nicht als Auftakt zu einem Mord interpretiert werden könnten. Die Verteidigung hat nun die Aufgabe, das Obergericht davon zu überzeugen, dass die Interpretation der Beweise durch das untere Gericht falsch war und dass begründete Zweifel bestehen.
Über Dormicum (Midazolam)
Dormicum ist der Markenname für den Wirkstoff Midazolam, ein schnell wirkendes Benzodiazepin. Es wird in medizinischen Einrichtungen häufig als Beruhigungsmittel vor Eingriffen eingesetzt. Aufgrund seiner starken Wirkung, die Schläfrigkeit und Gedächtnisstörungen umfasst, kann sein Nachweis in toxikologischen Berichten ein entscheidendes Beweisstück in strafrechtlichen Ermittlungen sein.
Was als Nächstes im Gerichtsverfahren passiert
Die Berufungsverhandlung stellt eine vollständige Neubewertung des Falles dar, obwohl sie auf den im ursprünglichen Prozess vorgelegten Beweisen basiert, es sei denn, es werden neue, signifikante Beweise zugelassen. Die Richter des Obergerichts werden die Fakten, rechtlichen Argumente und die Begründung des unteren Gerichts überprüfen.
Nach den Schlussplädoyers beider Anwaltsteams wird das Richtergremium beraten. Sie werden beurteilen, ob die ursprüngliche Verurteilung rechtlich fundiert und durch die vorgelegten Beweise gestützt war.
Das endgültige Urteil des Berner Obergerichts ist ein mit Spannung erwarteter Moment in diesem Fall. Die Entscheidung soll offiziell am Mittwoch bekannt gegeben werden. Dieses Urteil wird entweder die 20-jährige Haftstrafe bestätigen, aufheben oder möglicherweise eine Neuverhandlung anordnen, was ein neues Kapitel in diesem tragischen und komplexen Fall aus Kehrsatz aufschlägt.




